Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
vielleicht, daß eine Frau der Aufgabe nicht gewachsen ist?« Obwohl sie sich bemühte, ihren Zorn zu zügeln, hörte sie ihn in ihrer Stimme. »Daß ich nicht fähig bin, Verkaufszahlen zusammenzuzählen oder zu begreifen? Daß ich nicht imstande bin, Gewinne auszurechnen?«
    »Es gibt kaum Frauen, die das können.«
    »Nur weil sie es nicht gelernt haben. Aber ich kann es – dafür habe ich gesorgt.«
    »Beim Betrieb eines Kaufhauses wie Merchant geht es nicht nur darum, die Pennies zusammenzuzählen.« Liam Kavanaghs Ton war herablassend. »Man muß sich in Personalangelegenheiten auskennen … Man muß wissen, was man kaufen kann und was man besser nicht kauft … Man darf keine Rücksichten nehmen.«
    Wenn du wüßtest, dachte sie. Erinnerungen blitzten auf, die sie im allgemeinen zu meiden verstand. Das Krachen eines Gewehrschusses, das Bild eines hilflosen Körpers, der eine lange Treppe hinunterstürzt. Die vier kahlen weißen Wände eines Klosters … Maia mußte ihren Blick senken.
    »Und wen werden Sie denn nun heiraten, Mrs. Merchant? Nein ich entschuldige mich nicht dafür, diese Frage gestellt zu haben Sie haben ja bereits versucht, mich über mein Privatleben auszuhorchen. Nun geben Sie mir Auskunft – welchen Mitgiftjäger, der hier den Rahm abschöpfen möchte, werden Sie denn heiraten?« Seine Stimme war bitter.
    Das ist es also, dachte sie. »Sie fürchten, daß ich mich wieder verheiraten werde und das Kaufhaus in andere Hände gebe?«
    »Natürlich.« Wieder musterte er sie; wieder mußte sie sich zwingen, nicht ihren Rock herunterzuziehen, nicht das offene Revers ihrer Jacke zusammenzuhalten.
    »Eine junge Frau wie Sie wird doch nicht den Rest ihres Lebens Witwe bleiben.« Sein Blick blieb am tiefen Ausschnitt ihrer Bluse haften.
    »Ich werde nie wieder heiraten.« Maias Ton war heftig. »Das kann ich Ihnen versprechen. Niemals!«
    Er sah sie ungläubig an. »Das sagen Sie jetzt –«
    »Und ich werde es in fünf, in zehn und in zwanzig Jahren immer noch sagen.«
    »Schmerz vergeht.«
    »Glauben Sie?« Sie wußte, daß sie die alptraumhaften Monate ihrer Ehe niemals vergessen würde; niemals vergessen würde, was ein zwanghaft getriebener, grausamer Mensch wie Vernon beinahe aus ihr gemacht hätte. Das, was die ersten einundzwanzig Jahre ihres Lebens sie vor allem anderen gelehrt hatten, war eine tiefe Männerverachtung.
    »So sagt man jedenfalls.« Liam Kavanagh drückte seine Zigarette aus und sah auf seine Uhr. »Das ist ja alles sehr interessant, Mrs. Merchant, aber ich habe zu arbeiten.«
    Er wollte sie entlassen wie eine kleine Verkäuferin oder ein dummes kleines Mädchen, mit dem er es in irgendeiner Scheune in Donegal getrieben hatte. Diesmal konnte Maia ihre Wut nicht zügeln. »Sie bleiben hier und hören mir zu, Mr. Kavanagh, wenn Sie Ihre Stellung behalten möchten.«
    Sie sah den flammenden Zorn in seinen blauen Augen, dann sagte er mit mühsam beherrschter Stimme: »Und was wollten Sie mir sagen, Mrs. Merchant? Sind Sie mit meiner Arbeit nicht zufrieden?« Sie versetzte: »Sie wissen genau, womit ich nicht zufrieden bin, Liam Kavanagh! Ich habe etwas dagegen, mich von Ihnen wie ein kleines Dummchen behandeln zu lassen – wie ein Püppchen, das nach Ihrer Pfeife tanzt.«
    Sie hatte den Eindruck, daß er lächelte. Wäre sie sicher gewesen, sie hätte ihn auf der Stelle hinausgeworfen. Doch er sagte: »Wir bemühen uns nur, Ihnen zu helfen, Mrs. Merchant. Ihnen den Anfang zu erleichtern.« Der Spott in seiner Stimme war kaum zu überhören.
    »Wenn ich Ihre Hilfe brauche, Mr. Kavanagh, werde ich darum bitten. Inzwischen werden Sie dafür sorgen, daß alle Probleme, alle Entscheidungen, die das Kaufhaus angehen, auf meinen Tisch kommen. Dieses Kaufhaus gehört mir und nicht Ihnen. Ist das klar?«
    Er stand auf. »Absolut, Mrs. Merchant.«
    »Dann können Sie jetzt gehen.«
    Nachdem er verschwunden war, blieb Maia noch einen Moment sitzen. Ihre Beine zitterten, und ihre Finger waren ineinandergekrampft. Es war nur ein Scheinsieg gewesen, dachte sie, in Wirklichkeit hatte sie verloren. Er hatte sich über sie lustig gemacht, und das hinterließ einen bitteren Geschmack bei ihr.
    Maia stand auf. Sie ging zu einem der Aktenschränke und holte aus der unteren Schublade die halbe Flasche Scotch, die jemand dort vergessen hatte. Sie zog den Korken heraus und nahm einen tiefen Zug.
    Als Joe vor Clodies Haus ankam, sah er, genau wie die letzten vier Freitagabende, draußen den Wagen

Weitere Kostenlose Bücher