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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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trug es die Treppe hinunter. »Ich bringe Lily in die Klinik, Mrs. Lewis. Machen Sie sich wegen der Kosten keine Sorgen – Dr. Mackenzie verlangt nichts.«
    Der Kilometermarsch vom Haus der Familie Lewis zur Klinik war ein Alptraum, den sie nie vergaß. Es wurde schon dunkel, und es hatte wieder zu schneien begonnen. Immer wieder zog es ihr in Matsch und Eis die Füße weg. Bald rannte sie, bald ging sie atemlos langsamer, immer getrieben von den schrecklichen Geräuschen, die das um Atem ringende Kind von sich gab. Nirgends war ein Taxi zu sehen, keiner der Busse fuhr in die richtige Richtung. Ein Fremder beschimpfte sie, als sie in Dunkelheit und Schneegestöber mit ihm zusammenstieß. Ihre Arme und ihr Rücken schmerzten unter dem Gewicht des Kindes. Sie konnte nur das blonde Haar sehen, das unter der Decke hervorspitzte, nur das krampfartige Röcheln hören.
    Als sie die Klinik erreichte, stürzte sie hinein und rannte den Korridor hinunter. Sie klopfte nicht an die Tür von Dr. Mackenzies Sprechzimmer, sondern stieß sie einfach mit der Schulter auf. Der Patient, der mit halb eingebundenem Fuß auf dem Untersuchungstisch lag, starrte sie offenen Mundes an, und Dr. Mackenzie rief zornig: »Robin – Herrgott noch einmal –«
    »Neil – ich glaube, sie hat Diphtherie. Sie müssen sie sich ansehen – bitte –«
    Sein Gesicht veränderte sich sofort. Er sagte: »Wenn Sie freundlicherweise einen Moment hinausgehen würden, Mr. Simpson«, und sein Patient humpelte nach draußen.
    »Setzen Sie sich, Robin, dann sehe ich sie mir mal an.«
    Sie setzte sich mit Lily auf dem Schoß. Lilys Atem schien noch lauter, noch mühsamer geworden zu sein. Das grauenhafte Geräusch erfüllte das ganze Zimmer, als Neil Mackenzie den Mund des kleinen Mädchens öffnete und mit seiner kleinen Taschenlampe in den Rachen leuchtete.
    »Mein Gott«, sagte er leise. »Das arme kleine Ding.«
    Sie starrte ihn stumm an, als könnte sie ihn zwingen, ihr zu sagen, daß das Kind wieder gesund werden würde, daß es nicht schon zu spät sei. Er jedoch stand nur auf und ging zum Telefon. »Ich lasse sie sofort ins Infektionskrankenhaus einliefern.«
    Er wählte gerade das Amt, als es geschah. Die Stille, ein kleiner Schauder, der den Körper des Kindes durchrann, das plötzliche Verstummen der schrecklichen Atemgeräusche. Einen Moment lang glaubte Robin, der erstickende Belag hätte sich gelöst und Lily könnte nun wieder leichter atmen. Aber als sie dann in das stille Gesicht des kleinen Mädchens hinuntersah, flüsterte sie nur: »Neil – oh, Neil.«
    Er war schon an ihrer Seite, nahm ihr Lily aus den Armen und legte sie auf den Untersuchungstisch. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bevor er sagte: »Das arme Kind ist tot. Das kleine Herz hat nicht mehr mitgemacht. Das geht manchmal so.«
    Sie stand auf und ging unsicher zum Untersuchungstisch. Stumm starrte sie in Lilys Gesicht, das über den grotesk geschwollenen Hals schnell bleich zu werden begann. »Ich bin nicht schnell genug gelaufen.«
    »Robin – wir konnten ihr nicht mehr helfen.« Seine Stimme war sanft. Er zog dem Kind die Decke über das Gesicht. »Selbst wenn wir sie noch ins Krankenhaus gebracht hätten, hätte das nichts geändert. Das müssen Sie mir glauben.«
    Später saß sie mit einem Becher heißem, süßem Tee in der Hand in der Küche. Sie sah Neil Mackenzie plötzlich an und sagte: »Ich muß es Mrs. Lewis sagen.«
    »Der Mutter? Sie hatte eine Fehlgeburt, sagten Sie? Ich gehe selbst bei ihr vorbei. Gehen Sie nach Hause, und verbrennen Sie alles, was Sie anhaben, und schrubben Sie sich mit Desinfektionsmittel. Das ist ein Befehl.«
    Aber sie ging nicht nach Hause. Sie wußte, daß sie jetzt weder die Besorgtheit der Damen Turner ertragen hätte noch die Enge ihrer vier Wände. Sie streifte durch die Straßen und ließ sich vom Wind die Schneeflocken ins Gesicht blasen. Als sie zu der Wohnung in Hackney kam und die einzige Antwort auf ihr Klopfen Dunkelheit und Schweigen war, hätte sie sich am liebsten an den Türpfosten gelehnt und geweint. Aber sie begann wieder zu gehen, eine lange Straße mit Wohnhäusern, Pubs und Läden hinunter. Sie dachte an jenen anderen Schneesturm, jenen anderen Tod. Aber Stevies Tod war unsichtbar gewesen. Er hatte sich in einem fernen Land zugetragen und für das Kind, das sie damals gewesen war, nichts Reales gehabt. An diesem Abend jedoch hatte sie einen Blick auf die feine Grenze zwischen Leben und Tod geworfen.
    Sie gelangte zu

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