Das Winterhaus
Ziegelstein am Kinn getroffen hatte, fiel torkelnd gegen sie; ein Mann, dem Blut aus der Nase strömte, stieß sie zur Seite, als er flüchtete. Wenn die Menge gegen sie anbrandete, konnte sie kaum atmen. Der Lärm – das Geschrei und das Krachen der Schlagstöcke auf Körper und Mauern – dröhnte in ihren Ohren.
Irgend jemand drängte sich zwischen sie, und obwohl Joe Robins Hand noch erreichte, entglitten ihm ihre Finger gleich wieder. Er schrie ihren Namen, obwohl er wußte, daß sie ihn nicht hören konnte. Ein Stoß traf seine Schulter, und er fiel ins Getümmel zurück, und als er sich wieder nach ihr umschaute, war sie verschwunden.
In der wogenden Menschenmenge gefangen, wurde er bis an die Mauer des Arbeitsamts zurückgedrängt. Die erbittertsten Kämpfe wurden rund um Wal Hannington ausgetragen: Die Polizei wollte Hannington natürlich wieder ins Gefängnis bringen. Hanningtons Anhänger wollten ihn frei sehen. Stöcke und Gummiknüppel sausten pfeifend durch die Luft; neben Joe brüllte ein Mann immer wieder dasselbe Schimpfwort. Ein Faustschlag traf Joe in die Rippen, und er schlug zurück. Mit einem lauten Krachen brach ein Ziegelstein durch ein Fenster, und es regnete Glassplitter, die wie Diamanten glitzerten, auf seinen Rücken und seine Schultern. Flüchtig glaubte Joe auf der anderen Seite der Straße Robins hellbraunes Haar zu sehen, dann schlug die brodelnde Menge über ihr zusammen, und sie war verschwunden. Mit geballten Fäusten versuchte er sich durchzudrängen, schlug nach jedem, der ihm im Weg war. Die Gewalt der Menge, die zu einem einzigen tobenden Körper verschmolzen war, drohte ihn an die Wand zurückzuschmettern. Mit den Füßen tretend und den Ellbogen stoßend, kämpfte er sich weiter vorwärts.
Er hatte die Ausläufer des Getümmels erreicht, doch von Robin war immer noch keine Spur zu sehen. Von hinten packte eine Hand seine Schulter, und jemand sagte: »Schön hiergeblieben, Junge.« Er reagierte instinktiv. Mit einer scharfen Drehung und einem Ellbogenstoß, der einen weichen vorstehenden Bauch traf, riß er sich los und rannte.
Aber nur kurz. In einem flüchtigen wirbelnden Bild sah er Hufe, eine Mähne und weißrollende Augen, bevor der Schlag, der ihn auf den Hinterkopf traf, ihn zu Boden streckte, und bevor er das Bewußtsein verlor, hörte er noch: »Hab ich dich erwischt, du kleiner Dreckskerl.«
An der Mündung der Gasse blieb Robin stehen und sah sich nach Joe um. Aber sie konnte ihn nirgends im Gedränge entdecken, und als sie seinen Namen schrie, ging ihre Stimme im Getöse unter. Nur ein paar Schritte entfernt sah sie einen Polizisten seinen Schlagstock heben, um einen Demonstranten anzugreifen.
Der Knüppel schwang hoch und sauste sogleich mit schrecklicher Gewalt wieder abwärts. Robin hörte das Krachen von Holz auf Knochen. Der Mann brach zusammen und schlug mit einem Schmerzensschrei zu Boden. Und während sie noch zusah, erstarrt vor Entsetzen und Abscheu, schwang der Polizist seinen Schlagstock ein zweites Mal in die Höhe.
Die Empörung siegte über die Furcht. Mit zwei Schritten war sie zwischen den beiden Männern. »Nein!« rief sie. Ihre Stimme, fand sie, klang merkwürdig. »Sehen Sie denn nicht, daß Sie ihn verletzt haben?«
Der Polizist starrte sie mit offenem Mund an, und einen Moment lang hätte sie am liebsten gelacht über sein verblüfftes Gesicht, obwohl sie innerlich zitterte.
Sie beugte sich zu dem Verletzten hinunter, und als sie über ihre Schulter zurücksah, war der Polizist verschwunden. Der Mann auf dem Boden – mittleren Alters, mit schmalem Gesicht, eine Schirmmütze auf dem Kopf – war bleich unter dem Blut, das eine Seite seines Gesichts bedeckte. Sie zog ihr Taschentuch aus der Tasche und drückte es auf die Wunde, wie sie das bei Dr. Mackenzie beobachtet hatte. »Hier in der Nähe ist ein Arzt, der sich um Sie kümmern kann. Sie müssen leider zu Fuß gehen, aber Sie können sich auf mich stützen.«
Es gelang ihr, ihm auf die Füße zu helfen, und sie stützte ihn so gut es ging, als sie langsam die Gasse hinunterschlurften. Als sie den Tumult hinter sich ließen, murmelte er: »Die Sozialhilfe hat mir letzte Woche die Hälfte meiner Möbel weggenommen. Ich wollt mich nur ein bißchen drüber aufregen.«
»Ich weiß.« Sie hatte ihren Arm um seinen Körper gelegt; er lehnte sich schwer an sie. »Es ist nicht weit. Sprechen Sie lieber nicht.«
Irgendwie schafften sie es zur Klinik. Sie glaubte einen Ausdruck
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