Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
verdrossener Resignation in Neil Mackenzies Gesicht zu sehen, als sie schon wieder mit einem unangemeldeten Patienten erschien. Sie sah ihm zu, während er den Mann untersuchte und die tiefe Wunde nähte. Als er fertig war und der Patient in irgend jemands Automobil nach Hause geschickt worden war, sah er sie nur an und wartete schweigend auf eine Erklärung.
    »Vor dem Arbeitsamt Hackney war eine Demonstration«, sagte sie mit dem Gefühl, sich verteidigen zu müssen. »Und es kam zu Gewalt.«
    »Das hab ich schon gehört. Und Sie haben mitgemacht, Robin?«
    »Natürlich nicht. Sie wissen, daß ich Pazifistin bin, Neil!«
    Er wusch sich die Hände am Becken und stand mit dem Rücken zu ihr. »Ich vermute, es ist sinnlos, Ihnen vorzuschlagen, Ihre Aktivitäten darauf zu beschränken, über die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit zu schreiben, anstatt sich an Straßenkämpfen zu beteiligen?«
    Tief gekränkt, brachte sie gerade noch ein kurzes Grußwort zustande, ehe sie hinauslief. Als sie vorsichtig noch einmal die Gasse hinunterging, sah sie, daß die Straße vor dem Arbeitsamt jetzt leer war bis auf die Trümmer, die zurückgeblieben waren. Sie rannte zu Francis' Wohnung.
    Als sie an die Tür trommelte, machte Francis ihr auf. Robin keuchte nur »Joe?«, und er musterte sie, schmutzig und zerzaust wie sie war, und schüttelte den Kopf.
    Als sie ihm erklärt hatte, was geschehen war, nahm er sein Jackett und sagte ihr, sie solle in der Wohnung warten. Zu erschöpft, um zu protestieren, ließ sie sich in einen Sessel fallen: Sie hörte die Tür hinter ihm zuschlagen, dann seine eilenden Schritte auf der Kellertreppe. Eine ganze Weile saß sie nur da und kaute auf ihren Fingernägeln, dann begann sie rastlos umherzugehen, machte sich eine Tasse Tee und vergaß, sie zu trinken.
    Francis kam am Spätnachmittag zurück. Sie sah ihm an, daß er schlechte Nachrichten brachte, und wartete stumm.
    »Joe ist auf dem Polizeirevier in der Bow Street.«
    Robin drückte die Hand auf den Mund. »Warum?«
    »Angeblich hat er einen Polizisten angegriffen. Ich durfte nicht zu ihm. Ich versuch's morgen noch mal. Am Montag kommt er vor den Richter.«
    »Francis, wir müssen etwas tun –«
    »Sie können ihm sechs Monate geben, weißt du das, Robin? Ich werde mich mal umhören – es muß doch jemanden geben, der sich für ihn einsetzen kann. Der diesen Leuten erzählen kann, was für ein ordentlicher Mensch er ist und so.«
    Das Schlimmste waren weder die Kopfschmerzen noch die Verletzungen, noch das Eingesperrtsein; das Schlimmste war die Ungewißheit. Im Transportwagen der Polizei kam Joe kurz zu sich, verlor jedoch wieder das Bewußtsein, als sie ihn aus dem Fahrzeug holten und in die Zelle brachten. Später nahm ein Beamter seinen Namen und seine Adresse auf, bevor er ihn in die überfüllte, übelriechende Zelle zurückschickte. Nach ungefähr einer Stunde, als er wieder bei halbwegs klarem Verstand war, stellte er sich an die Zellentür und brüllte so lange, bis jemand kam und ihm sagte, er solle den Mund halten. Höflich fragte er den Beamten nach Robin und hörte, daß keine Frauen verhaftet worden waren. Es war jedoch eine Anzahl von Personen verletzt worden; der Beamte wußte keine Namen und hätte sie Joe auch nicht gesagt, wenn er sie gewußt hätte. Damit wurde das kleine Fenster in der Zellentür zugeschlagen.
    Am folgenden Morgen wurde er nach oben in ein Zimmer gebracht, wo er seine Aussage niederschreiben mußte. Seine Erinnerung an den späteren Teil des Tumults war verwischt, er wußte nur noch, daß er in heller Angst gewesen war, Robin könnte etwas zugestoßen sein. Als er seinen Namen unter das Schriftstück gesetzt hatte, sagte der Beamte zu ihm: »Sie haben Besuch, Elliot.«
    Francis wurde hereingeführt. Joe meinte, er wäre nie in seinem Leben so froh gewesen, ihn zu sehen. Er sagte nur: »Robin?«
    »Der geht's gut, du dummer Kerl. Das heißt – sie hat Riesenangst um dich.«
    Er war erleichtert. Plötzlich sah nicht mehr alles ganz so schwarz aus.
    »Sie wollen dich wegen tätlichen Angriffs auf einen Polizeibeamten unter Anklage stellen«, berichtete Francis. »Ich habe dir einen Anwalt besorgt – er wird versuchen, es auf Erregung öffentlichen Ärgernisses zu drücken. Dafür bekommst du nur eine Geldstrafe, wenn du Glück hast – für den tätlichen Angriff würdest du beinahe mit Sicherheit ins Gefängnis wandern.«
    »Ist doch sowieso gleich – ich kann auch eine Geldstrafe nicht

Weitere Kostenlose Bücher