Das Winterhaus
als: »Würden Sie es sich nicht noch einmal überlegen, Mrs. Merchant?«, aber sie hatte den Ausdruck seiner Augen verstanden. Die Jovialität, die ihr stets auf die Nerven gegangen war, verdrängt von Verzweiflung und Furcht. Sie hatte mit den konventionellen Floskeln der Anteilnahme und des Bedauerns geantwortet, und er hatte sich verneigt wie ein Kavalier alter Schule und war gegangen. Zum letztenmal. Sie verstand nicht, weshalb diese triviale Episode sie so quälte. Sie sagte sich, es sei doch alles in Ordnung, das Schlimmste sei vorbei, sie habe nur getan, was sie hatte tun müssen. Doch das Unbehagen blieb und zwang sie, ihre Überzeugungen in Frage zu stellen. Sie wußte, daß sie trank, weil sie sonst gezwungen wäre, sich selbst ins Gesicht zu sehen, und ihr vielleicht nicht gefallen würde, was sie zu sehen bekäme.
Von Geldnöten – seinen eigenen und Viviens – getrieben, traf Francis sich mit Theo Harcourt in dessen Klub in Mayfair. Theo bestellte zwei Whisky, als Francis sich in einen der tiefen Klubsessel sinken ließ.
Francis trank einen großen Schluck Scotch. Dann sagte er: »Hattest du Gelegenheit, dir die Sache mit Kaos noch einmal zu überlegen, Theo? Ob du bereit wärst, dich finanziell zu beteiligen.«
Theo sah ihn mit milder Frage an, sagte aber nichts.
Francis spürte, wie er ins Schwimmen geriet. »Die Sache ist nämlich die ... ich weiß nicht, wie lange ich noch durchhalten kann, wenn ich keinen Geldgeber finde.«
Theo Harcourt erinnerte Francis immer an eine Schlange. Eine Python oder eine Kobra, die sich aufrichtet, um zuzuschlagen. Theos Augen unter den schweren Lidern waren von einem schillernden Graubraun. Francis, der sich zwang, ihrem Blick zu begegnen, erwartete stets, goldene Pupillen zu sehen, länglich, wie die einer Eidechse.
Und während er dem Blick dieser Augen standhielt, zwang er sich zu lächeln. Er spürte, wie sein Charme, der immer sein größter Vorzug gewesen war, sich unter diesem kalten Blick auflöste. Endlich sagte Theo: »Ja weißt du, alter Junge, es gibt so viele kleine Zeitschriften. Irgendwie bekomme ich nicht den Enthusiasmus zusammen, noch eine zu unterstützen.«
Francis war enttäuscht und verärgert. Enttäuscht, daß die kleine Zeitschrift, die er gehegt und gepflegt hatte, nun wegen Geldmangels eingehen sollte, und verärgert, daß Theo, der ihn praktisch die ganze Zeit immer wieder ermutigt hatte, jetzt absprang. In diesem Moment haßte Francis Theo Harcourt. Er haßte diesen Mann, der Macht und Reichtum besaß und eiskalt seine – Francis' – Hoffnungen vernichtet hatte. Er stand auf. »Na schön, dann geh ich jetzt. Tut mir leid, daß ich dich belästigt habe, Theo.«
Theo sprang schnell auf und bekam Francis noch am Ärmel zu fassen, bevor er zur Tür hinauskonnte. Er sagte leise: »Du mußt wirklich allmählich lernen, dein Temperament zu zügeln, Francis.« Francis stand einen Moment ganz still, unsicher, ob er Theo zuhören oder ihm lieber eine runterhauen sollte.
Theo sagte: »Ich möchte mich nicht an Kaos beteiligen. Aber ich würde die Zeitschrift gern kaufen.« Verwirrt starrte Francis ihn an. »So wie sie ist, ist sie ja noch ein ziemlich primitives kleines Heft, aber mit Geld könnte man sicher etwas aus ihr machen. Ich habe Möglichkeiten, an Farbdruckplatten ranzukommen – zur Reproduktion von Fotografien und dergleichen. Dann würde das Ganze etwas weniger amateurhaft aussehen.« Theo sah Francis an. »Ich würde dir einen fairen Preis machen, alter Junge.«
Francis zügelte seinen Zorn über Theos Kritik und schaffte es zu sagen: »Und ich bleibe für die Redaktion zuständig?«
»Ich bin sicher, all diese Einzelheiten würden sich zu unserer beiderseitigen Zufriedenheit regeln lassen. Erledigen wir doch erst einmal das Finanzielle. Über den Rest können wir uns als Gentlemen einigen.«
Drei Tage später erhielt Francis mit der Post einen Scheck. Er unterschrieb ihn auf der Rückseite, schob ihn in einen Umschlag und schrieb Vivien ein paar Zeilen dazu. »Für die Abflußrohre etc. Jetzt brauchst du den degoutanten Denzil nicht zu heiraten. Alles Liebe, Francis.«
Ende Juni war Hughs Geburtstag, und Robin fuhr übers Wochenende nach Hause. Am Sonntag kam Maia aus Cambridge herüber. Der Himmel war tiefblau, die warme Luft schwül und dunstig. Libellen – blau, grün und golden – schossen durch das Schilf. Hugh holte das Boot aus dem Schuppen und ruderte sie den Fluß hinunter. Sie folgten seinen sanften
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