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Das Wirken der Unendlichkeit

Das Wirken der Unendlichkeit

Titel: Das Wirken der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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sagte er. »Von den zweihundert hätte ich nur ungefähr dreißig für mich. Den Rest würde ich für Schmiergelder brauchen. Aber wenn man länger mit ihm reden will, kostet es mehr. Das kannst du dir selbst ausrechnen. Der Mann hat Leibwächter, also Leute, die ihn beschützen. Ich muss sie bestechen und ihnen Geld geben. Zum Schluß«, fuhr er fort, »bekommst du von mir eine Gesamtabrechnung mit Quittungen und allem, was du für die Steuer brauchst. Dann wirst du selbst sehen, daß mein Honorar dafür, daß ich das alles in Gang bringe, wirklich minimal ist.«
    Ich bewunderte ihn. Er dachte an alles, sogar an Quittungen für die Einkommenssteuer. Er schwieg eine Weile, als berechne er seinen Minimallohn. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich machte mir Gedanken darüber, wie ich zu zweitausend Dollar kommen könnte. Ich dachte sogar daran, tatsächlich ein Stipendium zu beantragen. »Aber bist du sicher, daß der alte Mann mit mir sprechen würde?« fragte ich.
    »Natürlich«, versicherte er mir. »Er wird nicht nur mit dir sprechen, er wird für das, was du ihm zahlst, auch zaubern. Dann kannst du dich mit ihm darüber einigen, wie viel du für weitere Sitzungen bezahlst.« Jörge Campos blickte mir eine Weile stumm in die Augen. »Glaubst du, daß du mir die zweitausend Dollar zahlen kannst?« fragte er so betont gleichgültig, daß ich sofort wusste, es war alles ein Schwindel.
    »O ja, das kann ich ohne weiteres bezahlen«, log ich kopfnickend.
    Er konnte seine Zufriedenheit nicht verheimlichen. »Guter Junge! Guter Junge!« freute er sich. »Wir werden viel Spaß miteinander haben!« Ich versuchte, ihm noch ein paar allgemeine Fragen über den alten Mann zu stellen, aber er unterbrach mich entschieden. »Spar dir das alles für den Mann selbst auf. Du wirst ihn sehen«, sagte er lächelnd. Dann begann er, mir von seinem Leben in den Vereinigten Staaten zu erzählen und von seinen geschäftlichen Zielen. Zu meiner größten Verblüffung, denn ich hatte schließlich bei mir entschieden, er sei ein Schwindler, der kein Wort englisch sprach, wechselte er ins Englische. »Du sprichst also Englisch!« rief ich, ohne den Versuch zu machen, meine Überraschung zu verbergen. »Natürlich, mein Junge«, erwiderte er mit einem texanischen Akzent, den er für die Dauer des Gesprächs beibehielt. »Ich habe dir doch gesagt, ich wollte dich auf die Probe stellen. Ich wollte feststellen, ob du dir zu helfen weißt. Das kannst du! Du bist in der Tat ein kluges Kerlchen, wenn ich das so sagen darf.« Er sprach ausgezeichnet Englisch. Er unterhielt mich mit Witzen und Geschichten. So verging die Zeit schnell, bis wir Potam erreicht hatten. Er wies mir den Weg zu einem Haus am Stadtrand. Wir stiegen aus. Er ging voran und rief laut nach Lucas Coronado.
    Wir hörten hinter dem Haus eine Stimme. »Komm hierher!«
    Dort saß an der Rückseite einer kleinen Hütte ein Mann auf einem Ziegenfell. Er hielt zwischen den nackten Füßen ein Stück Holz, das er mit einem Fäustel und einem Stemmeisen bearbeitete. Indem er das Holz durch den Druck der Füße am Platz hielt, hatte er sozusagen eine erstaunliche Töpferscheibe geschaffen. Seine Füße drehten das Holz, während er mit dem Stemmeisen arbeitete. Ich hatte so etwas noch nie im Leben gesehen. Er arbeitete an einer Maske, die er mit dem gebogenen Stemmeisen aushöhlte. Die Kontrolle, die er mit den Füßen ausübte, die das Holz festhielten und drehten, war bemerkenswert.
    Der Mann war dünn. Er hatte ein schmales Gesicht mit kantigen Zügen, vorstehende Wangenknochen und eine dunkle, kupferartige Haut. Die Haut im Gesicht und am Hals schien bis zum Zerreißen gestrafft. Er hatte einen dünnen langen Schnauzbart, der dem kantigen Gesicht ein boshaftes Aussehen verlieh. Dazu kamen eine Adlernase mit einem sehr schmalen Rücken und funkelnde schwarze Augen. Die tiefschwarzen Augenbrauen schienen wie mit einem Stift gezogen, auch die glatt zurückgekämmten pechschwarzen Haare wirkten wie gezeichnet. Ich hatte noch nie ein so abweisendes Gesicht gesehen. Bei seinem Anblick dachte ich unwillkürlich an einen italienischen Giftmischer aus der Zeit der Medici. Worte wie >gefährlich< und >düster< schienen zutreffend, wenn ich das Gesicht von Lucas Coronado betrachtete. Als er so auf dem Boden saß und mit den Füßen das Holz hielt, fiel mir auf, daß seine Beine so lang waren, daß die Knie bis zu den Schultern reichten. Bei unserem Näherkommen unterbrach er die Arbeit und

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