Das Wispern der Schatten - Roman
machen, aber Hauptmann Skathis warf sich mit einem Schild und einer Reihe Helden dazwischen, um seinen Gebieter zu retten.
» Nein, Thomas! Bring Jillan weg, solange du noch kannst!«, schrie der verletzte Jedadiah. » Das Tor steht noch offen. Jetzt oder nie!«
Der Sonderbare, der seine grässliche Erfahrung offenbar unbeschadet überstanden hatte, landete zwischen ihnen. Der Helm war wieder an Ort und Stelle. » Ja, jetzt oder nie.«
Aspin und Ash schossen weiter Pfeile ab, hielten das Tor für kostbare weitere Sekunden geöffnet und die Bogenschützen auf den Mauern ein ganzes Stück auf Abstand. » Wenn wir fortwollen, dann jetzt«, keuchte Ash heiser und beugte sich bis zum Boden hintenüber, um einem weiteren tödlichen Sonnenmetallpfeil auszuweichen. » Ich halte das nicht länger aus.«
» Eisenschuh, um der Freundschaft willen, die du mir einst entgegengebracht hast, schaff meine Frau und meinen Sohn sicher aus diesen Mauern heraus, ich flehe dich an!«
Thomas nickte grimmig. » Das werde ich, mein Freund.«
» Nein! Vater!«, rief Jillan heiser, der auf wackeligen Beinen am Wagen lehnte. » Miserath, du hast mir versprochen zu helfen, sie zu befreien. Du hast es versprochen!«
Der Sonderbare lächelte sanft. » Ich habe mich bereit erklärt, sie unbeschadet ans Tor von Hyvans Kreuz zu bringen, und das habe ich getan. Es tut mir leid, aber mehr kann ich nicht tun, denn auf deiner Mutter liegt eine Ägis, ein Anspruch, der Vorrang hat.«
» Ich lasse es nicht zu!«, brüllte der heilige Azual, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und schleuderte die umstehenden Männer beiseite. Der Verwesungsgestank seines Atems war überwältigend. » Du bist der Pestbringer, Junge! Ich werde dir nicht die Freiheit gestatten, deinen Makel noch weiter zu verbreiten. Du hast Tausende von meinen Leuten ermordet. Tausende! Deine Magie sickert ständig aus dir hervor und zerfrisst dieses Land wie ein Krebsgeschwür. Sogar deine eigene Mutter hat geschworen hierzubleiben und dich bei sich zu behalten, damit deiner monströsen Bosheit Einhalt geboten werden kann.«
» Nein!«, schrie Jillan und schlug mit der Faust auf den Wagen. » Lügner! Das ist nicht wahr! Du bist das Monster.« Doch als er flehentlich von Gesicht zu Gesicht sah, sagten ihm das Schluchzen seiner Mutter, die Bekümmerung des Sonderbaren und die Art, wie Ash beiseiterückte, um eine direkte Berührung mit ihm zu vermeiden, dass es genauso war, wie der Heilige sagte. » Bitte! Nein! Mutter, sag ihnen, dass es nicht wahr ist!«
Maria sah ihren geliebten Mann an und bat ihn mit den Augen um Verständnis und flehte dann Jillan um Vergebung an. Sie warf den Kopf zurück und schrie ihre Qual in den Himmel empor. Sie war bis an den Horizont und darüber hinaus zu hören, denn die Welt war beim Klang ihres urwüchsigen Leids zum Stillstand gekommen. Die Pferde im Wagengeschirr wieherten vor Entsetzen. » Jedadiah, mein Geliebter! Du musst ihn retten! Du musst! Um unserer aller willen! Für das Geas! Für alles Leben!«
» Nein!«, donnerte der Heilige. » Eure Leben gehören mir, genau wie das Volk! Jillan, ergib dich mir, oder ich werde deine Eltern hier und jetzt vernichten, und das mit einem bloßen Gedanken.«
Jillan konnte vor Tränen in den Augen und vor innerlichem Entsetzen nichts sehen. All diese Leute waren seinetwegen gestorben. Seine eigene Mutter war willens, ihn zu verraten, weil er zum Ungeheuer geworden war. Und viele andere würden sterben, wenn er nicht allem ein Ende setzte. » Es soll aufhören!«
Sein Vater kam auf die Beine und hielt den gebrochenen Arm vorsichtig an die Brust gedrückt. Jedadiah sah seine Frau liebevoll an. » Jetzt weiß ich, warum du mich vor so langer Zeit auserwählt hast. Es war um dieses einen Augenblicks willen.«
» Es war um des Mannes willen, der du bist, Geliebter: Du bist ein Mann, der mit Kraft und Leidenschaft durchhält, wo andere es nicht tun. Du hast mich immer Demut empfinden lassen.«
» Und ich habe dich nie mehr geliebt als jetzt. Du hast mir nichts als Glück und Lebenssinn und einen wunderbaren Sohn geschenkt. Ich hätte nicht mehr haben können, wenn ich hundert Leben gelebt hätte. Leb wohl, meine Liebste.«
» Leb wohl, mein teurer Jedadiah.«
» Mein Sohn, du wirst mir ein letztes Mal gehorchen und jetzt gehen. Deine Mutter und ich halten das Tor. Sei tapfer, Jillan, denn gegen unsere Liebe zu dir kann kein Schmerz bestehen. Eisenschuh, bring ihn fort von hier.«
Thomas nickte
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