Das Wispern der Schatten - Roman
Alles war still.
Er stieß die Luft aus, die er unbewusst angehalten hatte, und kämpfte sich auf die Beine. Du bist ein Dummkopf, Jillan, dass du jedes Mal in Panik gerätst, wenn du irgendein Waldgeschöpf hörst. Er lehnte sich einen Moment lang gegen die Mauer und ging dann zum Eingang herum. Efeu und andere Pflanzen hatten längst die Tür herausgerissen und sogar begonnen, dem verlassenen Gebäude Steine abzuringen. Die Mauern waren an manchen Stellen sehr eingefallen, aber Jillan war zu erschöpft, um sich Gedanken über die Gefahr zu machen. Er steckte den Kopf durch die Türöffnung und roch Feuchtigkeit, Verwesung und etwas noch Schlimmeres. Er vermutete, dass irgendein Tier hier drinnen gestorben war, und er konnte den Himmel durch den Turm hindurch sehen, also bot das Gebäude nicht viel Schutz.
Er trat wieder aus dem kleinen Bauwerk hervor und betrachtete es müde. Wozu diente es? Es schien älter als Gottesgabe zu sein, wer also hatte es gebaut und zu welchem Zweck? Bewachte es irgendetwas? Mit einem Schulterzucken wandte er sich ab und bemerkte hinter der Baumreihe vor ihm einen lichteren Teil des Waldes. Neugierig ging er auf das Grau zu und trat auf ein weites Feld hinaus, hinter dem etwas lag, das nach zerstörten Hütten und Häuschen aussah.
Er konnte immer noch nicht gut sehen, aber das Feld schien über und über mit toten Ästen und Zweigen bedeckt zu sein. Hatte hier jemand sämtliche Bäume gefällt, die Stämme weggeschleppt und alle kleineren Holzteile zurückgelassen? Das ergab keinen Sinn. Was war das für ein Ort, und wie kam es, dass er noch nicht davon gehört hatte, wenn er doch näher an Gottesgabe lag als sogar Erlöserparadies?
Er sah sich den Boden genauer an, um nach trittsicheren Stellen Ausschau zu halten, aber das schwache Licht reichte nicht aus, um viel zu erkennen. Er schlich vorwärts, wobei das Holz seltsam unter seinem Gewicht nachgab und knirschte. Er nahm die gleiche Art von abstoßendem Geruch wahr, die ihm schon im Turm aufgefallen war, wenn auch nicht ganz so stark.
Als er sich weiter aufs Feld hinaustastete, begann der Boden unter ihm zu zittern und zu… knacken? Dann gab er unter ihm nach, und er stürzte etwa sechs Fuß weit durch die Äste, bis er auf dem Boden landete. Jillan hustete und stöhnte, bevor er schwach versuchte, sich zu bewegen. Er schien unverletzt zu sein, also nahm er sich einen Moment Zeit, Atem zu schöpfen. Er schaute zu dem kleinen Stück grauen Himmels dort oben auf, wo er in die trügerische Oberfläche eingebrochen war, und seufzte. Von dort, wo er lag, wirkte es weit entfernt, und er war sich nicht sicher, ob die Zweige sein Gewicht tragen würden, wenn er hinauszuklettern versuchte. Wenn er in diesem mitternächtlichen Loch um sich zu schlagen begann, war es durchaus wahrscheinlich, dass er alles zum Einsturz bringen und sich selbst für immer begraben würde. Es war, wie er sich einredete, wahrscheinlich das Beste, bis Tagesanbruch zu warten.
Wenigstens war die Stelle, an der er lag, trocken und windgeschützt und hatte sogar den Vorteil, dass große Raubtiere nicht in der Lage sein würden, über die Äste zu ihm zu gelangen, wenn sie nicht selbst in der Falle landen wollten. Das Schicksal hatte anscheinend beschlossen, dass er heute Nacht doch noch an einem sicheren Ort schlafen würde. Gelobt seien die Erlöser, dachte er, als ihm die Augen zufielen, und begriff dann, dass dieser Gedanke wahrscheinlich nicht mehr sonderlich angemessen war. Er beschloss, sich darüber am nächsten Tag Sorgen zu machen, und war binnen Sekunden eingeschlafen.
Jillan träumte von Blut und Elend. Er stand Schulter an Schulter mit Leuten, bei denen es sich anscheinend um Feldarbeiter handelte, und warf einem Trupp Soldaten in einiger Entfernung Beleidigungen an den Kopf. Er erkannte, dass es sich bei den Soldaten um Helden handelte, und sie wirkten in der Tat grimmig und wild entschlossen. Ihre braunen Lederrüstungen wiesen Spuren kürzlich bestandener Kämpfe auf, und ihre Schwerter und Speerspitzen waren schartig. Im Gegensatz dazu schwangen die Leute, die neben Jillan standen, Mistgabeln und Hacken und trugen nur feste, grobe Kleidung.
» Mach dir keine Sorgen, Junge«, sagte der pickelige junge Mann neben Jillan mit einem seltsamen Akzent und zwinkerte ihm zu. » Wir sind ganz schön in der Überzahl, also werden sie uns schon nicht von unserem Land vertreiben.«
Der Atem des Mannes roch stark nach Bier, und Jillan konnte nicht anders, als
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