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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Und wenn sie schon hier war? « Nugua entdeckte eine Öf f nung im Boden, offensichtlich eine Art Treppenschacht, keine fünfzig Meter entfernt. » Vielleicht hat sie auf ihn gewartet. «
    » Meine Instinkte hätten mich gewarnt. «
    Sie wusste zu wenig über die Unsterblichen, als dass sie das hätte in Zweifel ziehen können. Aber Instinkte hin oder her – Li selbst schien ihr nicht halb so überzeugt von seinen eigenen Worten, wie er sie glauben machen wollte.
    Er ging auf die Öffnung im Boden zu, Nugua eilte hinter ihm her. Schweigend tauchten sie in die Schatten des Turminneren. Nuguas Herz raste vor Aufregung.
    Schon nach wenigen Stufen blieb der Unsterbliche st e hen. » Nei n «, sagte er plötzlich. » Ich muss oben bleiben und weiter Ausschau nach Mondkind halten. Mach du dich allein auf die Suche nach Niccolo. Und wenn du ihn findest, bring ihn hierher. «
    Ihr blieb keine Zeit, irgendetwas einzuwenden, denn Li wirbe l te schon wieder herum und eilte die Stufen hinauf zurück zur Plattform.
    Sie aber lief weiter und erreichte bald das Ende der Treppe. Um sie öffnete sich eine weite Halle voller Ambosse und erkalteter Schmiedefeuer. Kettenzüge baumelten wie rostfarbene Lianen von der Decke. Es roch unangenehm nach Eisen, Asche und ranzigem Fett. Sie horchte in die Stille und meinte Schritte zu hören, die sich rechts von ihr entfernten. Eilig folgte sie ihnen, wagte aber nicht, Niccolos Namen zu rufen.
    Ihr Weg führte sie durch seltsam geformte Torbögen, viele nicht von Menschenhand geschaffen, dann weitere Treppen hinunter und durch noch größere Hallen. Nirgends stieß sie auf Leben. Wohin sie auch kam, überall fiel durch Spalten und Öffnungen Lavaschein in die schwarzen Gänge und Kammern; er erzeugte Schatten, in denen sich alles Mögliche verbergen mochte. Sie tat ihr Bestes, all die Gefahren zu ignorieren, die ihre Fantasie herauf beschwor. Es verunsicherte sie, dass ihre Sorge um Niccolo sie dazu brachte, an einem Ort wie diesem ihre Vorsicht aufzugeben. Als wäre sie nicht länger sie selbst; als wäre da etwas anderes, das sie steuerte und sie die Warnu n gen ihrer Drachensinne missachten ließ.
    Noch eine Treppe, noch mehr Stufen. Und dann plötzlich die Erkenntnis, dass die Stille um sie vollkommen war. Keine Schritte mehr.
    Jemand trat vor ihr aus den Schatten, eine Silhouette mit unförmigem Kopf und einem Schwert in jeder Hand.
    » Mondkind? «, flüsterte sie.
    » Nein. « Der Scherenschnitt zerfiel zu zweien. Niccolo machte einen Schritt auf sie zu, bis Lavalicht auf seine Züge fiel. » Hab keine Angst. « Er klang beinahe bedauernd, und das versetzte ihr einen Stich. » Das hier ist nicht Mondkind. «
    * * *
    Zehn Minuten und einige Erklärungen später erreichten sie ein doppelflügeliges Tor. Die Frau mit dem Strohhut, Wisperwind, hatte diesen Ort während ihrer Erkundungsgänge durch die verlassenen Lavatürme entdeckt und schlüpfte als Erste durch den Spalt. Nugua bemerkte die Fußspuren in Ruß und Asche; es waren die gleichen, die Wisperwind auch jetzt hinterließ. Offenbar hatte die Kriegerin die Wahrheit gesagt: Niemand außer ihr schien seit langer Zeit hier gewesen zu sein. Das Tor stand noch offen von ihrem ersten Besuch während der verga n genen drei Tage. Dahinter lag ein hoher Raum, in dem es erstaunlic h k ühl war. Sie befanden sich in den unteren Regionen des Turms, viel näher an der Oberfläche des Lavasees, und trotzdem sperrten die meterdicken Wände einen Großteil der Hitze aus. Oranges Licht fiel aus Öffnungen in der Decke: Die Schmiede mussten den Lavaschein über ein System von Spiegeln aus blank poliertem Stahl in die inneren Hallen umgeleitet haben.
    In deckenhohen Regalen lagerten oberschenkeldicke Röhren aus Metall, mit Wachs versiegelt und von Grünspan und Rost überzogen. Wisperwind hatte wohl einige Zeit hier verbracht, denn viele Rohre waren hastig geöffnet worden, der Inhalt achtlos auf dem Boden verstreut. Die Kriegerin hatte nach Waffen gesucht, aber gefunden hatte sie Schriftrollen, Konstru k tionspläne und Zeichnungen. Das hier musste so etwas wie eine Bibliothek sein – Nugua hatte noch nie eine gesehen –, ein Archiv, in dem die Geheimnisse der Götterschmiede bewahrt wurden.
    » Irgendwo hier habe ich Karten gesehen. « Wisperwind eilte in einen von mehreren abgeteilten Seitentrakten. Niccolo schien ihr zu trauen und folgte ihr ohne Zögern. Nugua war weniger vertrauensselig, doch allein die Tatsache, dass es sich bei der Fremden

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