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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Drachen keine Flügel besaßen, konn ten sie sich durch den Himmel winden wie Aale durch Wasser. Dabei bildeten ihre Körper wogende Wellenformen, so als müssten sie sich um unsichtbare Hindernisse schlängeln. Ein Reiter wäre dabei unweigerlich abgeworfen worden. » Yaozi hat verboten, dass ich es versuche. «
    » Du scheinst mir kein Mädchen zu sein, dass sich an Verbote hält. «
    » Drachen können sehr überzeugend sein. «
    Der Unsterbliche lachte. » O ja, das kann ich mir vorstellen. «
    Den Rest des Fluges über schwiegen sie. Der Kranich stieg noch höher, wodurch die Hitze ein wenig erträglicher wurde. Nugua stellte sich vor, was Niccolo durchgemacht hatte, als er über die Schildkröten geklettert war. So nah an der Oberfläche war es ein Wunder, dass er nicht in Flammen aufgegangen war.
    Die Türme schälten sich immer klarer aus dem Flimmern, gewannen an Schärfe und Kontur. Das ungeordnete Durchei n ander der schwarzen Lavadorne bot einen atemberaubenden Anblick. Selbst während all ihrer Jahre im Kreise der Drachen hatte Nugua niemals etwas Vergleichbares gesehen. Wenn es stimmte, dass die Götterschmiede und die Drachen einst Freunde gewesen waren, dann mussten Yaozi oder seine Vorfahren diesen Ort gekannt haben. Für einen Moment stellte sie sich vor, dass sie selbst ein Drache war, der den Türmen entgegenschwebte. Kein Mädchen auf dem Rücken eines Kranichs, sondern ein Gigant aus Schuppen und Klauen, mit wallender Drachenmähne und goldenen Augen.
    Goldenen Augen wie Niccolo.
    » Kannst du ihn sehen? «, rief sie nach vorn.
    Li schüttelte seinen kahlen Schädel. » Nein. Sicher ist er i r gendwo im Inneren. «
    Wir wissen ja nicht mal, ob er überhaupt angekommen ist, dachte sie. Aber sie behielt es für sich und wünschte, die Zuversicht des Unsterblichen möge auf sie abfärben. Aber während Li der Begegnung mit Mondkind entgegensah, konnte Nugua nur an Niccolo denken. Wenn ihn wirklich ein Bann an Mondkind kettete – und sie weigerte sich, so etwas Liebe zu nennen –, dann musste es einen Weg geben, ihn zu brechen und gemeinsam mit Niccolo die Drachen zu finden.
    Und falls sie sie fanden? Würde sie dann einfach in Yaozis Obhut zurückkehren können, als hätte es die letzten zehn Monate nie gegeben? Sie hatte sich in dieser Zeit verändert, war nicht länger das wehrlose Menschenkind, das von den Drachen beschützt werden musste. Und was würde aus Niccolo werden? Unwillig verdrängte sie diesen Gedanken. Natürlich würde sie zu Yaozi zurückkehren, und natürlich würde alles so sein wie früher. Darum tat sie schließlich all das hier. Nur aus diesem Grund saß sie auf dem Kranich eines Unsterblichen und flog über brodelnde Lava. Es ging nur um die Drachen.
    » Dort oben! « Li deutete zu einer Plattform auf einem der höchsten Türme. » Da war jemand. «
    Ihr Blick folgte seiner ausgestreckten Hand, aber sie konnte nichts erkennen.
    » Jetzt sind sie we g «, rief Li über das Fauchen des heißen Gegenwinds. » Es waren zwei. Sie sind im Inneren des Turms verschwunden. «
    » Bist du sicher? «
    Über die Schulter warf er ihr einen Blick zu, der verriet , was er davon hielt, dem Urteil eines Unsterblichen zu misstrauen. Er lenkte den Kranich auf die Turmspitze zu, während er weiterhin die rotgelbe Wolkendecke nach Spuren seiner Feindin absuchte.
    Der Riesenvogel sank sanft auf die schwarze Fläche aus Lavagestein nieder. Li löste sich mit einem Sprung vom Rücken des Tiers. Beinahe hätte er Nugua mitgerissen; im letzten Moment ließ sie sein Gewand los. Er landete breitbeinig, hielt sofort die Lanze in den Händen und schaute sich lauernd auf der ausgestorbenen Plattform um.
    Der Kranich knickte die Beine ein und ließ Nugua nach hinten über sein Schwanzgefieder zu Boden gleiten. Sie kam schwa n kend auf und spürte erst jetzt, wie sehr sie sich während des Ritts verkrampft hatte. Einen Augenblick lang hatte sie Mühe, sich auf den Füßen zu halten.
    » Hast du Niccolo erkannt? «, fragte sie. » War er einer von den beiden? «
    » Möglich. «
    » Und der andere? « Ihr Gleichgewicht kehrte zurück, und zugleich stieg eine neue Sorge in ihr auf. » Ist sie das gewesen? Mondkind? «
    Li gab nicht gleich Antwort, aber seine Züge waren von einer Verbissenheit erfüllt, die sie an ihm noch nicht kennen gelernt hatte. Erst nach einem Moment schien er sich ein wenig zu entspannen. » Sie kann es nicht sein. Ich hätte sie sonst sehen müssen, als sie angekommen ist. «
    »

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