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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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über rätselhafte Mädchen wie Mondkind.
    Die Dämmerung erhob sich über dem Pass, dem sie über Sichuans östlichste Bergkette gefolgt waren. In der Ferne erklang das Geschrei der Affen.
    Nugua streckte sich im Gras aus und kaute auf einem Halm. Sie gähnte. » Was sollen wir denn eigentlich noch alles finden? Die Drachen, ihren Friedhof, die Lavatürme … Und sicher würdest du auch gerne Mondkind wiederfinden, nicht wahr? «
    Letzteres sagte sie so lauernd, dass Niccolo es für ratsam hielt, nicht darauf einzugehen. Kapitulierend warf er die Hände empor. » Ach, zum Teufel … Sie hat gesagt, in den Lavatürmen erfahren wir mehr über den Drachenfriedhof. Und Feiqing behauptet, auf dem Friedhof finden wir die Drachen. Das ist immerhin etwas! «
    » Das habe ich nicht behauptet! «, ereiferte sich der Rattendr a che. » Da ist ein Drache, habe ich gesagt. Oder jedenfalls war einer da, als ich – «
    » Jajaja. « Niccolo winkte ab. » Erzähl mir lieber von diesen Türmen. «
    Nugua tat gelangweilt. » Wie gut, dass es nicht jeder von uns eilig hat. «
    Gereizt beugte er sich über sie und stellte mit einer gewissen Genugtuung fest, dass sie erschrak. » Das hier ist kein Spaß, Nugua! «
    Ihre Hände schossen so schnell nach vorn, dass er sie kaum kommen sah. Dann fühlte er sich schon zur Seite gestoßen, fiel auf den Rücken und stieß sich den Hinterkopf an einem Stein. » Mist! «, fluchte er.
    Nugua sprang blitzschnell auf, stand im nächsten Augenblick über ihm und stemmte die Hände in die Hüften. » Wag das nicht noch einmal! «
    Er packte sie am Bein, riss daran und schleuderte sie grob zu Boden. » Ich hab ’ s satt, dass du uns andere behandelst, als wären wir nur Ballast! « Dann rollten sie auch schon ineinander verkeilt über den Boden, ein Wirbel aus Fäusten und Füßen und Ke u chen und Flüchen.
    » Herrjemine! «, rief Feiqing und lief mit wedelnden Armen hinter ihnen her. » Was ist denn in euch gefahren? Hört sofort auf damit! … Hört ihr mich? … Ihr sollt aufhören! … Sofort! «
    Niccolo stellte sich flüchtig die Frage, was er hier eigentlich tat und was er sich wohl dabei dachte, sich mit einem Mädchen zu prügeln. Da aber traf ihn ein Faustschlag am Auge, und sogleich waren alle Skrupel vergessen. Er wehrte sich, was das Zeug hielt, teilte aus, steckte weitere Treffer ein und schlug schließlich einmal mehr mit dem Schädel auf etwas Hartes. Als die Lichter vor seinen Augen langsam niedersanken wie schwebende Funken, wurde ihm klar, dass das ominöse Harte Nuguas Knie gewesen war.
    Sie hockte ächzend vor ihm, mit rasselndem Atem und einem Blick, der Steine in die Flucht geschlagen hätte. Niccolo richtete sich halb auf, fiel dann erschöpft zurück und rieb sich die Stirn.
    » Geht ’ s … dir jetzt … besser? «, japste sie atemlos.
    » Sicher … «, stöhnte er und setzte sich schwankend auf. » Könnte gar nicht … besser sein. «
    Feiqing trampelte zwischen sie, holte aus und schlug beiden zugleich mit seinen Drachenpranken vor die Stir nen. Mit einem gemeinsamen Aufschrei kippten sie voneinander weg nach hinten ins Gras.
    » Ihr kindischen, hirnverbrannten, unverbesserlichen Schwac h köpfe! « , zeterte der Rattendrache. » Nichtswürdige, übel riechende … ach, hol euch die Pockenpest! «
    Niccolo sah auf. » Pockenpest? «
    F eiqing ließ sich auf seinen breiten Drachenhintern plumpsen, stützte die Ellbogen auf die Knie, die Schnauze in die Hände und schwieg. Was an sich schon ein kleines Wunder war.
    Stumm beobachteten sie, wie die Sonne hinter den Bergen aufging. Dann half Niccolo Nugua beim Aufstehen. Beide gemeinsam zogen den Rattendrachen auf die Füße.
    Mit geschulterten Bündeln machten sie sich auf ihre Reise nach Westen.
    * * *
    » Ich kenne keinen, der die Lavatürme mit eigenen Augen gesehen ha t «, sagte Feiqing, während sie durch einen lichten Birkenwald wanderten. » Aber ich kenne auch keinen außer mir, der je einen Drachen gesehen hat. Außer Nugua hier, natü r lich. « Er rieb sich die Wülste in seinem Nacken, und Niccolo fragte sich, ob Feiqing es wohl spüren würde, wenn sich Läuse auf seinem Kostüm breitmachten. Oder eher Motten?
    » Als o «, fuhr der Rattendrache fort, » d ie Türme … hmm, nun ja. Es heißt, dass sich seit Äonen ein breiter Lavastrom durch die Weiten Chinas wälzt. Keiner weiß, w o e r einst aus der Erde geflossen ist und warum er nicht versiegt. Die ältesten Teile seiner Lavaspur sind längst erstarrt

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