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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Ortschaft waren beim Absturz der Insel beschädigt, manche zerstört worden. Selbst im Du n keln gingen die Reparaturen bei Fackelschein weiter, überall wurde abgerissen, aufgeräumt und aus altem Holz neu gezi m mert.
    Erst weiter draußen trieb sie das Pferd zum Galopp und preschte durch die Nacht dem höchsten der fünf Wolkenberge entgegen. Sein Umriss war nur noch schwach vor dem bla u schwarzen Himmel auszumachen. Wenn sie dort ankäme, würde es vollkommen finster sein.
    Natürlich hätte sie ihren Vater in alles einweihen oder zumi n dest ein paar Männer der Leibgarde zu ihrem Schutz abkommandieren können. Aber der Herzog hatte sie einmal zu oft vor den anderen Ratsmitgliedern zurechtgewiesen. Sie hatte die Gefahr durch die Baumkreaturen ausgekundschaftet und war dafür gedemütigt worden. Und Soldaten einzuweihen, ohne zuvor ihren Vater zu informieren, kam erst recht nicht in Frage.
    Die größte Ansammlung von Aetherpumpen befand sich auf dem höchsten Berg. Der Hof der Spinis stand nicht weit von seinem Fuß entfernt. Sie wusste, dass Niccolo dort manchmal Tauben schoss. Tatsächlich wusste sie vieles über ihn, aber das ahnte er nicht.
    Ob er schon auf einen Drachen gestoßen war? Sie zweifelte daran. Ihr Vater war ein Narr, allein auf Niccolos Rückkehr zu vertrauen.
    Sie ließ sich von ihrem Ross so weit wie möglich bergauf tragen, aber irgendwann wurde der Pfad durch die Wolken so steil, dass sie abstieg und das Tier am Zügel führte. Auf dem wattigen Boden verursachten seine Hufe kaum Geräusche. Trotzdem band sie es unterhalb des Gipfels an einem weißen Wolkenauswuchs fest und legte den Rest des Weges zu Fuß zurück.
    Der Gipfel war ein höckeriges Gelände aus geronnenen Dunstballen. Sechs Aetherpumpen erhoben sich dort oben in einem weiten Kreis, der von einer Seite zur anderen zweihundert Meter maß. Vereinzelte Pumpen standen auch auf den Kämmen, die die Wolkenberge weiter unten miteinander verbanden, aber im Dunkeln waren sie ebenso unsichtbar wie jene auf weiter entfernten Gipfeln.
    Zuletzt war Alessia mit den Mitgliedern des Rates hier oben gewesen, nur wenige Stunden bevor die Insel aus den Hohen Lüften gestürzt war und sich zwischen den Felsgiganten verkeilt hatte. Fast zwei Wochen lag das jetzt zurück. Damals war aus dem Inneren der Pumpen noch da s g eheimnisvolle rhythmische Stampfen erklungen, während Aether aus den Regionen über dem Himmel hinab in die Wolken floss. Heute wusste keiner, wie lange die Insel ohne Aethernachschub standhalten würde.
    Auf dem Gipfel herrschte Stille. Nur der Wind peitschte flüsternd darüber hinweg und wirbelte Alessias dunkelrotes Haar auf. Sie fröstelte. Zugleich ärgerte sie sich, weil sie in ihrer Eile nicht an wärmere Kleidung gedacht hatte.
    Keine Menschenseele war zu sehen, aber das hatte nichts zu bedeuten. Zwischen den Wolkenbuckeln gab es genug Verst e cke für eine Hundertschaft, ganz abgesehen von den Eisenfu n damenten der sechs Pumpen, die breit genug waren, um ein ganzes Haus zu verbergen.
    Und nun?, fragte sie sich. Was tust du hier oben?
    Sie bewegte sich geduckt auf die nächste Aetherpumpe zu, ein mächtiger schwarzer Turm, der zwanzig Meter über ihr mit dem Nachthimmel verschmolz. Als sie ihn erreichte, spürte sie, dass das Metall vibrierte. Vermutlich lag das an den Höhenwinden, nicht an Leben im Inneren. Sie umrundete die Pumpe und lief dann weiter zur nächsten.
    Erst bei der fünften wurde sie fündig.
    Beinahe wäre sie an der schwarzen Öffnung im Eisen vorbe i gelaufen, ohne sie zu bemerken. Zaghaft ging sie darauf zu, streckte die Hand aus – und fasste ins Leere. Fassungslos blieb sie stehen. Hatte es nicht immer geheißen, es gäbe keine Zugänge zu den Pumpen?
    Sie hatte Kerzen und Zündzeug eingesteckt, aber sie wagte nicht, eine Flamme zu entfachen. Das hätte sie von weitem für jedermann sichtbar gemacht.
    Geh schon!, flüsterte es in ihr. Nun mach endlich!
    Sie hatte niemandem erzählt, wohin sie reiten wollte. Falls ihr etwas zustieß, konnte es Tage dauern, bis irgendwer das Pferd entdeckte – falls es sich nicht losriss und allein zurückkehrte. Bei den Pumpen würde man zuletzt nach ihr suchen. Wah r scheinlich würden alle annehmen, sie sei heimlich zum Erdboden ausgerissen. Niemand würde nach ihr suchen. Nicht hier und auch nirgends sonst.
    Hör auf damit! Kehr entweder um, oder tu irgendwas! Aber hör auf, dir selbst Leid zu tun!
    Sie machte einen Schritt nach vorn. Dann noch einen. Zögernd

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