Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant
klammerte.
Einige Minuten später blieb Yaozi abermals stecken, und diesmal hatte es keinen Zweck mehr, sich etwas vorzumachen. Er würde die Herzkammer nicht mehr erreichen. Nicht auf diesem Weg, und aller Wahrscheinlichkeit nach auch auf keinem anderen.
»Setz mich ab«, verlangte Nugua, während er in hilflosem Zorn nach verwachsenen Schorfformationen schnappte.
Er hörte nicht auf sie. Sein Goldglanz glühte noch heller auf, während er in seiner Wut immer heftiger tobte.
»Yaozi!«, brüllte sie ihn an. »Setz mich ab!«
Mit einem ohrenbetäubenden Schnaufen erlahmten seine Bewegungen. Schwer atmend ließ er das Drachenmaul auf den Boden sinken, während sein Fühler Nugua freiließ. Sie blieb vor ihm stehen, hielt die Lanze mit beiden Händen fest und begegnete dem Blick seiner Goldaugen.
»Du musst umkehren«, sagte sie. »Wenn du noch länger wartest, wirst du nicht mehr freikommen.«
»Xixati wird jeden Moment die Herzkammer erreichen. Ohne meine Hilfe -«
»leb gehe«, unterbrach sie ihn. »Ich finde Niccolo und die anderen und zeige ihnen den Weg nach draußen. Warte dort auf uns.«
»Du allein kannst Pangus Herz nicht zerstören.«
»Und was ist mit einer Waffe, die für die Götter geschmiedet wurde? Einer Waffe, die sogar Unsterbliche töten kann?«
»Allein wirst du es trotzdem nicht schaffen.«
»Auf mich kommt es doch gar nicht an.« Sie hob die Lanze. »Die Frage ist, kann sie es schaffen?«
Er zögerte. »Vielleicht. Aber das wissen wir nicht.«
»Niccolo wird Silberdorn dabeihaben. Das sind schon zwei Klingen aus den Schmiedefeuern der Lavatürme.«
Yaozis Blick verengte sich, als sich seine Nickhäute über die glühenden Augäpfel schoben. »Du bist noch tapferer, als ich dachte. Aber Tapferkeit allein wird nicht ausreichen. «
»Du musst jetzt umkehren! Wenn dich der Tunnel einschließt, bist du verloren. Und wir mit dir, weil es dann keinen Weg mehr nach draußen gibt.« Sie schluckte. »Bitte.«
Sie sah ihm an, wie sehr er mit sich zu kämpfen hatte. Aber er wusste auch, dass es vorbei war, wenn er jetzt nicht kehrtmachte. »Meine Magie ist noch immer stark genug, um -«
»Um was? Dich noch tiefer in diesen Tunnel zu graben? Wie weit wirst du kommen? Hundert Meter? Oder zweihundert?« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Dein Weg ist hier zu Ende.«
Seine Lefzen verzogen sich, erst zu einem Drachenlächeln, dann schmerzerfüllt, als die wuchernde Decke immer fester auf ihn eindrückte. Aber er hatte sich sofort unter Kontrolle, wahrscheinlich weil er ihr zumindest einen Anschein von Zuversicht mit auf den Weg geben wollte.
»Ich warte draußen«, sagte er schließlich. »Und ich werde da sein, wenn ihr zurückkehrt.« Noch einmal verfiel er sekundenlang in Schweigen, aber als Nugua sich schon umdrehen und loslaufen wollte, hielt sie sein goldener Fühler zurück. Mit dem anderen riss er sich eine Schuppe aus, zerbiss sie zwischen seinen Hauern in winzige Splitter und reichte ihr einen davon. Das längliche Bruchstück war so dick wie ihr Unterarm und fast doppelt so lang, mit faserigen, ausgefransten Rändern. Es verbreitete genug Goldglanz, um ihr notdürftig den Weg zu leuchten.
»Danke«, sagte sie, als sie danach griff.
»Viel Glück, Tochter von Drachen.«
Sie brachte ein trauriges Lächeln zu Stande. »Ich bin nur ein Mensch, Yaozi, das hast du selbst gesagt.«
»Und das hier ist eine Aufgabe für einen Menschen -aber nicht für irgendeinen.«
Mit Lanze und Splitter in den Händen umarmte sie unbeholfen seinen Fühler. Zwei, drei Herzschläge lang war es fast wie früher, im warmen Sommerregen der Bergwälder.
Sie musste sich zwingen ihn wieder loszulassen.
Mit einem Ruck, damit er sie nicht weinen sah, fuhr sie herum und rannte los.
Aetherglut
Xixati schob sich über Nester aus toten Juru, die sich in Vertiefungen zwischen den wuchernden Schorfwällen angesammelt hatten. Einige waren unter Krusten verschwunden und schienen vom Körper des Ur-Riesen aufgesogen zu werden.
Niccolo saß in Xixatis Nacken und klammerte sich mit einer Hand an eines der beiden Drachenhörner. Mondkind kauerte auf seinem Schoß. Ihr Gesicht ruhte an seiner Schulter und so konnte er ihr nicht in die Augen sehen, wusste nicht einmal, ob sie noch geschlossen oder offen waren. Er hatte sich ihre Arme um den Oberkörper gelegt, und obwohl er sie nach wie vor mit einer Hand festhielt, spürte er, dass ihre Umarmung kräftiger wurde.
Xixati war gezwungen, sich vorsichtig und nur sehr
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