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Das Wuestenhaus

Titel: Das Wuestenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Wolfram
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Hand gehabt hatte. An den Artikel waren ein paar Notizzettel geheftet. Der Ägypter blickte ihn an, als ob er mit seinem durchdringenden Blick jedes Wort von Maja unterstreichen wollte. »Natürlich, du warst da, niemand sonst, dich haben ihre Eltern gesehen, dir und deiner Begeisterung für dieses alte Haus haben sie zugehört, hast du ihnen nicht förmlich den Prospekt aufgedrängt, sie dazu gezwungen, hinzufahren, Schicksal gespielt? Hatte ich dir nicht gesagt, dass es im Land brodelt? Warum schickst du Menschen zu religiösen Plätzen wie zu einem Besichtigungstermin? Zur Vorsicht hättest du raten sollen, zur Zurückhaltung, zum Innehalten, so wie ich es dir vorgemacht habe.«
    Er holte sich aus dem Kühlschrank ein weiteres Bier und setzte sich an den Küchentisch. Er zog die Zettel ab und faltete vorsichtig das Zeitungsblatt mit dem Porträt über den Schriftsteller auseinander. Auf dem schon leicht gelblichen Papier fand er die Zeilen: »Nicht fern von hier die weiße Synagoge, ein Platz, von Stille und Konzentration erfüllt, die heiße Luft der Wüste ringsum.« Kein Wort über die Situation im Land. Warum hatten sich die Attentäter ausgerechnet diese Synagoge ausgesucht? Der tunesische Kollege hatte ihm auf der Feier gesagt, dass manche Kreise im Land die Touristenattraktionen besonders argwöhnisch
beobachteten wegen ihrer »Käuflichkeit«. Hier in diesem Zeitungsausschnitt stand ebenfalls das Wort »Käuflichkeit«, darunter das Datum, der Name des Kollegen. Warum erschien ihm das Gebäude, wenn er die Postkarte betrachtete, immer noch wie ein schöner, faszinierender Palast, der den Wunsch in einem wachrief, sich dort zu verstecken? Al-Ghriba nannten die Araber das Haus. Ghriba … »fremd«, »wundersam«. Er sah die weißen Mauern wieder vor sich, die kargen Bäume in den Außenanlagen, das sich in Bahnen aufteilende Licht auf dem Vorplatz. Dann, plötzlich auftauchend, Majas Eltern, sie selbst. Die Zeit kehrte in Schüben langsam zurück in sein Bewusstsein. Auf einem der angehefteten Zettel stand: »Gebäude: Erbaut Ende des 19. Jahrhunderts, auf den Ruinen eines Tempels aus dem 6. Jahrhundert. Legende: Flucht eines verfolgten Mädchens an diesen Ort. Der Schriftsteller: Alles Hokuspokus. Noch mal allein sein hier.«
    Er erinnerte sich an den Gang im Hotel. Maja vor seiner Tür, mit ihrem sonderbaren Blick. Wäre sie ein wenig älter gewesen, damals, er hätte keinen Augenblick gezögert, mit ihr zu schlafen. Sie war keine typische Siebzehnjährige gewesen, im Gegenteil, ihre selbstbewusste Art, mit ihm zu sprechen, ihn zu provozieren und seine Nähe zu suchen, hatte ihm gefallen. Was wäre geschehen, wäre er damals nur einen Schritt weitergegangen? Maja hatte ihn sechs Jahre lang als den eigentlich Schuldigen betrachtet - wegen einiger weniger Sätze, die er zu ihren Eltern
gesagt hatte. Niemals zuvor hatte jemand behauptet, dass er ein suggestiv sprechender Mensch sei, jemand, der insgeheim forderte, dass andere unbedingt seinen Vorschlägen folgen sollten. Er wusste genau, was seine Kollegen und Freunde sagen würden, wenn er ihnen diese Geschichte erzählte: Das ist eine fremde Geschichte!
    Er schaltete den Computer auf seinem Schreibtisch ein, rief die Archivseiten seiner Zeitung auf, tippte die Passwörter in die vorgesehenen Kästchen und suchte nach Artikeln zu dem Anschlag. Im Jahr nach der Explosion hatten sie einige Männer festgenommen, die nun in Paris auf ihren Prozess warteten. Er fand eine kurze Videosequenz, welche die Männer hinter einer Absperrung zeigte; sie hielten ihre Hände vor das Gesicht und liefen mit abgewandten Köpfen vorbei. Als er in den Bilddatenbanken nach Fotos zu den genannten Namen suchte, fand er nur verschwommene Aufnahmen von Gesichtern, die er niemals zuvor gesehen hatte. Kein einziger Satz war zu finden, der berichtet hätte, wo sich die Verdächtigen auf der Insel aufgehalten hatten, in welchem Ort sie ihre Basis, ihre Treffpunkte und Verstecke hatten. Alles kreiste um die Explosion, um die präzise Inszenierung: der Lastwagen, der in den Mauern der Synagoge explodierte.
    Gleich morgen, nahm er sich vor, würde er seine Kollegen in Tunis kontaktieren, Briefe schreiben, Erkundigungen einziehen. Es musste irgendwo Neuigkeiten, Unentdecktes, Spuren geben, mit denen er
Maja beweisen konnte, dass die Ursachen für den Tod ihrer Eltern in einer vollkommen anderen Richtung zu suchen waren. Aber welche Antworten würde er erhalten, nach all der Zeit? Er strich

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