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Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Titel: Das Wunder von Grauenfels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktoria Benjamin
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Ruben ließ den Blick zu Claudia schweifen, die langsam aus ihrer erscheinungsbedingten Ekstase zu erwachen schien. Sie machte das wirklich täuschend echt. Claudia als Julia?
    »In der Theatergruppe. Am Anfang hatten wir alle große Rosinen im Kopf. Da waren auch noch viele Ältere dabei. Und als erstes Stück machten wir dann eben Romeo und Julia. Sie wollten Claudia die Julia nicht geben, weil sie noch so jungwar, aber sie hat natürlich alle an die Wand gespielt. Und ich war Romeo! Ich kann’s beweisen, ich hab die Aufführung auf Video.«
    Ruben beschloss, später darauf zurückzukommen. »Ihr seid also zusammen in einem Theaterclub – eine Schul-AG?«, fragte er weiter.
    »Nein, im Jugendzentrum von Pfarrer Jaeger. Zuletzt haben wir Grease aufgeführt. Da war ich Danny und Claudia Sandy.«
    Ruben erinnerte sich dunkel. Das war bei seinen ersten Recherchen beim Grauenfelser Stadtanzeiger angesprochen worden. Peters hatte Claudia aber nicht besonders herausgestrichen. Bis jetzt hatte Ruben nicht mal gewusst, dass sie eine Hauptrolle gehabt hatte.
    »Na ja, und dann kamen eines Tages diese beiden zu einer Probe …« Der Junge wies vage in die Richtung von Gina und Berit. »Ich weiß noch, ich habe den Posa gespielt – und verdammt, ich war mindestens so gut wie Claudia, aber die haben sie genommen!« Der Junge klang jetzt nur noch verbittert.
    »Gina und Berit haben einer eurer Proben beigewohnt?« Ruben wurde langsam klar, welche Rolle Pastor Jaeger in dieser Geschichte spielte. »Hat sie noch einer außer dir gesehen? Wie heißt du überhaupt?«
    »Marco.« Der Junge zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht, ob die anderen das so mitgekriegt haben. Sie waren nur ganz kurz da, eigentlich nur, während ich auf der Bühne stand und dann Claudia als Lady Macbeth. Ich nehme an, sie wollten uns beide sehen. Aber Claudia haben sie genommen … Warum konnten sie nicht einfach noch eine Rolle reinschreiben? Ich habe über andere Marienerscheinungen gelesen – manchmal sehen sie auch Jungen, und ich hätte auch sagen können, ich wäre erst dreizehn oder so.«
    Das hätte ihm Ruben nun nicht abgenommen. Der Junge war sicher mindestens fünfzehn, eher sechzehn, den Stimmbruchhatte er jedenfalls sicher hinter sich. Er sah ausgesprochen gut aus, hatte ebenmäßige Gesichtszüge, volle Lippen und eine hohe Stirn, dazu dichtes, lockiges Haar und klare grüne Augen. Ein Mädchenschwarm. Wieder verspürte Ruben vages Mitleid. In einer Familie wie den Murphys wäre dieser Marco ein Star. Aber in Wirklichkeit würde er sich noch Jahre, vielleicht sein Leben lang mit dem Gedanken quälen, gegen Claudia Martens verloren zu haben.
    »Und wieso haben sie Sophie genommen?«, fragte Ruben weiter. »Hat die auch mitgespielt?«
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, ich kannte sie vorher nur aus der Schule. Und von Schauspielerei versteht sie nicht die Bohne – gucken Sie sich das nur an!«
    Marco wies mit dem Kinn auf die Mädchen, die inzwischen aufs Podium kletterten, um den Menschen den Inhalt der Verkündigung mitzuteilen. Claudia zwinkerte halb verschämt, halb irritiert in die Menge, als könnte sie selbst nicht verstehen, wie es sie hier in die Rolle der Seherin verschlagen hatte. Sophie stand eher hinter ihr, sie war zurückhaltender, aber ihr verträumter Ausdruck, ihre schüchtern niedergeschlagenen Augen und die leichte Röte der Verlegenheit auf ihrem Schneewittchengesicht passten im Grunde perfekt zu ihrer Rolle. Auch bei den früheren Erscheinungen war sie nicht hinter Claudia abgefallen. Aus Marco sprach glasklar der blanke Neid.
    »War sie schon vorher mit Claudia befreundet?«
    Marco nickte. »Ganz dickes Ei. Haben ja auch beide große Pläne. Die eine will nach New York zur Schauspielschule, die andere geht jeden Tag in die Ballettschule. Primaballerina will sie werden. Meine Schwester geht mit den beiden in die gleiche Klasse. Die hat sich fast totgelacht, als Sophie mal damit anfing. Primaballerina in Tatenbeck!« Marco lachte bösartig.
    Ruben begann, ihn ziemlich widerlich zu finden. Trotzdem interessierten ihn die Beweise, über die er möglicherweise verfügte.»Dieses Video, von dem du vorhin gesprochen hast … kann ich mir das wirklich mal ansehen? Ich hab mich noch gar nicht vorgestellt: Ruben Lennart, von der Lupe. « Ruben zog routiniert eine Karte aus der Hosentasche, etwa in der Manier, in der Polizisten in amerikanischen Filmen ihre Marken ziehen. Er wusste, dass es jetzt darauf ankam,

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