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Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Titel: Das Wunder von Grauenfels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktoria Benjamin
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nicht …«, wimmerte Sophie und versteckte sich hinter einem frischen Taschentuch.
    »Dann eben nicht!«, rief Claudia, stand auf und wanderte effektvoll im Zimmer herum. »Dann vergiss Paris und such dir einen ganz normalen Freund. Kalle Schimmelpfennig oder Marco Schalk zum Beispiel. Die fahren beide auf dich ab, brauchst du nur mal mit den Wimpern zu klimpern. Geh irgendwann raus, heul den Reportern was vor, erzähl ihnen von MM – dann hast du auch eine wunderschöne Rache an deinem Marvin, denn dann fällt ja seine Entschuldigung weg, und er muss sich wieder mit der Sache mit der Todsünde rumschlagen. Und du kriegst ein cooles normales Leben mit geilen Aufstiegschancen in Grauenfels/Tatenbeck. Was hältst du von Sekretärin in der Tierverwertungsfabrik?«
    Sophie schniefte ein letztes Mal, aber dann wischte sie sich energisch das Gesicht ab. »Also gut. Was muss ich machen?«, fragte sie.
    Eine halbe Stunde später traten zwei kichernde Mädchen aus dem Haus der Beckers und schienen über den Auftrieb an Reportern fast verwundert zu sein. Sophie hatte ihr leuchtendes Haar zu zwei frechen Zöpfen mit verschiedenfarbigen Schleifen geflochten und trug ein türkisfarbenes, bauchfreies T-Shirt.
    »Marvin? Klar, natürlich wusste ich von seinem, hm, Problem. Er war ganz süß, er hat mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt, dass er For the One I love für seinen Freund geschrieben hat. Der ist Tontechniker oder so was … Ich verliebt? …« Sophie wurde rot und wusste so rasch nicht weiter.
    »Sophie ist ein bisschen scharf auf Ian«, behauptete Claudia schnell. Das war nicht abgesprochen, und Sophie errötete vor Schreck noch tiefer.
    »Claudia!«
    »Ich sage ihr immer, er ist zu alt für sie, aber …«
    Die Mädchen alberten mit den Reportern, die Kameras der Fotografen klickten. Gina und Berit beobachteten das Ganze vom Fenster in Sophies Zimmer aus. Frau Becker stand neben ihnen. Als die Reporter die Mädchen schließlich gehen ließen, wandte sie sich zu den beiden um.
    »Sie hat mir erzählt, was Sie ihr versprochen haben«, sagte sie leise. »Und ich sehe jetzt, dass es ihr wichtiger ist als alles andere. Aber –« Sophies Mutter hob die Stimme. »Wenn Sie Ihr Versprechen nicht halten – wenn Sie sie nicht nach Paris bringen, dann kratze ich Ihnen persönlich die Augen aus!«

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    Romeo und Julia
    R uben war der Prozession am Erscheinungstag eher lustlos gefolgt. Seine Recherchen am Samstag und Sonntagmorgen hatten ihn ziemlich frustriert, die diversen Interviews mit Pilgern und Grauenfelser Bürgern ergaben praktisch nichts Neues. Nach wie vor hoffte der Durchschnittspilger auf die zum Teil aberwitzigsten Wunder und kam gar nicht auf den Gedanken, die Erscheinung anzuzweifeln. Die Feministinnen zeigten eine ähnliche Haltung wie Schwester Felicitas: Ihnen war es ziemlich gleichgültig, ob die Madonna tatsächlich erschien, um ihre Meinung zu sagen, oder ob sie nur einer sterblichen Texterin die Feder führte. Hauptsache, die Inhalte stimmten, und mit denen waren sie voll und ganz zufrieden. Eine Interviewte wagte sogar die Vermutung zu äußern, hinter der Erscheinung stecke womöglich eine Theologin aus ihren eigenen Reihen: »Wenn’s das hier noch nicht gäbe – das müsste direkt erfunden werden!«
    Was die Grauenfelser Bevölkerung selbst anging, so betrachteten die meisten die Angelegenheit mit einem Augenzwinkern. Es gab nur wenig Katholiken in der Stadt, und die jüngste Vergangenheit hatte sie nicht gerade gelehrt, an Wunder zu glauben. Inzwischen erkannten die Menschen aber praktisch durchweg den Wert der Erscheinung für den Aufschwung der Region. Wenn jemand etwas wusste oder ahnte, hielt er damit ebenso zurück wie Doktor Hoffmann und Mandy.
    Samstagnachmittag war Ruben frustriert genug, dieRecherchen in Grauenfels erst mal auf Eis zu legen. Stattdessen vereinbarte er Termine mit Politikern und Organisationen in anderen Teilen der neuen Bundesländer, um endlich seine Artikelserie zur Stimmung im Osten unter Dach und Fach zu bringen. Wenn er in einer oder zwei Wochen zurück nach Grauenfels kam, mochte sich die Lage anders darstellen.
    Immerhin brachte die Murphy Family etwas Farbe in den ›Erscheinungsalltag‹ – mal ganz abgesehen davon, dass Berits Texte für die Jungfrau unzweifelhaft Unterhaltungswert besaßen. Insofern schloss sich Ruben noch einmal der Prozession zum Wäldchen an. Hinterher wollte er mit Berit essen gehen und sie von seinem geplanten Aufbruch

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