Das Wunder von Treviso
verfügte. Heute hatte er einen Teilerfolg bei einem griechischen Geistlichen, mit dem er sich auf Altgriechisch darüber verständigte, dass das Pfarrhaus nicht in der Lage war, siebenundvierzig griechisch-zypriotische Pilger mit Essen zu versorgen, und dass es in Treviso kein Internetcafé gab. Das altgriechische Wort für Internetcafé stellte ihn jedoch vor eine echte Herausforderung, denn was der andere mit «Raum, der die Verbindung zur Welt ist» sagen wollte, war ihm leider nicht sofort aufgegangen.
«Es ist die Hölle!», stöhnte Don Antonio, als er wieder einmal Zuflucht in der Krypta suchte, weil das Klingeln des pfarramtlichen Telefons Gott sei Dank nicht bis in die Kirche vordrang.
«Keiner hat gesagt, dass es leicht werden würde», antwortete Don Ignazio.
«Hast du nichts Besseres zu bieten als diese Plattitüden, alter Mann? Ich könnte ein bisschen Trost gebrauchen.»
«Für Trost», sagte der Geist Don Ignazios und klang dabei etwas verschnupft, «ist der Herrgott zuständig. Heul dich doch bei dem aus.»
Musste er sich das bieten lassen? Sich vom schlechtgelaunten Geist eines Pfarrers beleidigen lassen? «Muss ich mir das von dir bieten lassen?»
«Was willst du denn hören, mein Junge?» Don Ignazio nannte ihn tatsächlich immer noch so wie damals. Offensichtlich war für ihn die Zeit stehengeblieben. «Was soll ich dir sagen? Dass du dir da etwas eingebrockt hast, was du nun allein auslöffeln musst? Dass die Idee, eine Madonnenstatue zu präparieren, vielleicht doch nicht so genial war, weil das Ganze früher oder später auffliegen und man dich in ein Kloster auf Sizilien strafversetzen wird? Kann dir alles passieren, Junge, kann dir alles passieren, aber wenn du mich fragst, ist es das allemal wert.»
«Wieso glaubst du, dass es das wert ist?» Erstaunt blickte Don Antonio zu Don Ignazios Ecke hinüber.
«Denk nach, mein Junge: War dein Leben schon jemals interessanter?»
8
Mit Handbüchern gab sich der Bürgermeister Mario nicht mehr ab, das hatte er nach nur einem halben Tag aufgegeben. Weder hatten ihm irgendwelche Ratgeberweitergeholfen, noch hatte er dem Buch «Das vernetzte Dorf» etwas über virtuell gelebte Realitäten entnehmen können, denn dieses Buch war eindeutig nichts für ambitionierte Bürgermeister ohne Geduld und Selbstdisziplin. Mario war ein Mann der Tat und der schnellen Entschlüsse, und er machte genau das, was ein Mann in seiner Lage zu tun hatte: Er wälzte die Arbeit auf einen anderen ab. Daher verpflichtete er seinen Neffen dazu, eine Homepage für Treviso zu basteln. Nach ganzen siebenundzwanzig Tagen war Giorgio so weit.
«Es fehlt jetzt nur noch ein Foto von dir», sagte Giorgio zu seinem Onkel, der wie immer hinter ihm stand und ihn beaufsichtigte, weil es seiner Sekretärin nicht gelang, ihn aus dem Büro in Massimos Trattoria zu verfrachten, wo er niemandem im Weg war.
«Was für ein Foto?», fragte Mario skeptisch.
«Willst du als Bürgermeister von Treviso nicht mit einem Bild auf deiner Homepage vertreten sein?»
«Doch … doch, ja.» Natürlich, ein Foto! Wie hatte er das nur vergessen können? Selbstverständlich musste er mit einem Foto auf die Homepage, einem großen Foto, einem wunderbaren Foto, einem wahren Meisterwerk der Porträtkunst!
«Komm mit!», befahl er Giorgio und ließ seine Sekretärin mit den Worten zurück: «Ich muss mich porträtieren lassen, Silvia, warten Sie nicht auf uns.»
Und er dachte so bei sich, dass sein Neffe doch mal zu etwas gut war und dass er ihm womöglich etwas für seine Arbeit bezahlen musste. Aber das konnte warten.
9
«Was tut er da?»
«Ich glaube, er posiert.»
«Ja, aber wieso tut er das?»
An ebendiesem Oktobernachmittag saßen Massimo, Luigi und Vito vor der Trattoria, genossen den Herbstsonnenschein und sahen dem vor der gegenüberliegenden Kirche aufgeregt hin und her hüpfenden Bürgermeister dabei zu, wie er sich mal an diese Mauer und mal an jene Säule lehnte, während er mit zunehmend zorniger Stimme seinen Neffen Giorgio dirigierte. Der gab sich, die Digitalkamera im Anschlag, große Mühe, es seinem Onkel recht zu machen. Doch Mario, der Bürgermeister, war nicht zufrieden.
«Du musst näher ran. NÄHER RAN, GIORGIO! Ich will, dass es großartig aussieht!»
Giorgio gab offensichtlich sein Bestes. Er lichtete seinen Onkel nun schon seit einer geschlagenen halben Stunde vor der Kirche, vor dem Brunnen, dem Rathaus, der örtlichen Grundschule, dem Ortsschild und sogar vor der
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