Das Zeichen Des Dunklen Gottes
Und wenn ich mich richtig an die Berichte erinnere, ist das einzig große Heer im Moment das des Kriegsfürsten. Zwanzigtausend Mann aus Tzulandrien.« Laute der Überraschung waren von den anderen Diplomaten zu hören. Keiner hatte die Zahl gekannt. »Und unsere wachsamen Augen meldeten bereits neue Segel am Horizont, die die Farben Tzulandriens tragen.«
Der junge Herrscher Tarpols blickte kurz zu seinem Konsultanten, der etwas zögerlich nickte.
»Ich bin von den Göttern gesegnet worden«, eröffnete er und zupfte sich die Handschuhe von den Fingern. »Mir wurde etwas geschenkt, was keiner von Euch jemals zuvor erblickte.« Nach ein wenig Konzentration ließ er der wilden Magie in sich geordneten Lauf. »Seht und begreift.«
Eine kleine leuchtende, silberne Kugel entstand zwischen seinen Händen. Gemächlich schwebte sie über seinen Kopf und blieb stehen, dünne Blitze zuckten zwischen den Fingern und dem schimmernden Gebilde hin und her. Dem inneren Gefühl folgend, vollführte der Kabcar einige Gesten. Flimmernd blieben die merkwürdigen Zeichen als Silberglanz ein paar Lidschläge sichtbar in der Luft. Als Lodrik die Arme sinken ließ, entstand zunächst ein sanfter Wind, der angenehm kühlend durch den Raum strich.
»Das war alles?« Fusuríl, der wie alle anderen im Raum etwas zurückgewichen war, blinzelte. »Gewiss, es hatte einen …«
Dann, ohne Vorwarnung, folgte ein ohrenbetäubendes Brüllen. Ausgehend vom Kabcar, jagte eine immense Druckwelle kreisförmig nach allen Seiten gleichzeitig weg und fegte alles zu Boden, was nicht irgendwie gesichert stand.
Wie die Puppen schlug es die Diplomaten auf den glänzenden Marmor, Möbel wurden an die Wand gerückt, lose Dekoration und schwere Vorhänge flogen durch die Gegend, selbst Teile der Kronleuchter rissen und stürzten herab.
Als sei nichts geschehen, standen Lodrik und sein Vetter als Einzige aufrecht im Audienzsaal. Die leuchtende Kugel war verschwunden.
»Ihr habt heimlich geübt, Hoher Herr«, rügte ihn Mortva scherzhaft. »Ihr beherrscht die größeren Sachen schon recht gut, wie ich sehe.«
Die ersten Gesandten stemmten sich umständlich in die Höhe, manche hatten kleinere Blessuren, aber niemand war ernsthaft durch umherfliegende Stücke verletzt worden.
Glück hatte die Kabcara gehabt, die, weil sie auf dem Thron saß, nur ordentlich in die Polster gedrückt worden war. Doch ihre Kleidung und die Frisur sahen aus, als sei sie bei Sturm im Freien gewesen. Die Versuche, Haar und Stoff zu richten, fruchteten kaum.
»Das, werte Exzellenzen, war eine kleine Demonstration meiner Magie, die ich von den Göttern in Granburg erhielt«, erläuterte der junge Mann ruhig und zog sich die Handschuhe über. »Seit vielen Jahrhunderten war diese Macht unbekannt auf Ulldart. Da ich darüber verfüge, bin ich in der Lage, Sinured zu kontrollieren. Gehorcht er mir nicht, werde ich ihn vernichten. Und Sinured weiß das.«
»Man kann Euch getrost als eine umwerfende Persönlichkeit bezeichnen, hoheitlicher Kabcar«, sagte Fiorell, während er an den Polstern seiner leicht ramponierten Uniform herumschob. Die Perücke hing völlig schief auf dem Kopf. »Äußerst beeindruckend.«
»Sagt das nächste Mal vorher Bescheid«, grummelte Waljakov, der seinen alten Platz wieder eingenommen hatte.
»Bei allem Respekt und auch wenn ich mehr als überrascht von Eurem göttlichen Geschenk bin«, meldete sich der Gesandte Agarsiens zu Wort. »Damit könnt Ihr, hoheitlicher Kabcar, den Kriegsfürsten vielleicht töten. Aber was ist, wenn Ihr es Euch anders überlegt? Oder er es sich anders überlegt?«
»Ausnahmsweise stimme ich mit der Meinung Agarsiens überein«, unterstützte ihn der Botschafter Palestans. »Wir verlangen Sicherheiten. Euer Wort in allen Ehren, hoheitlicher Kabcar, aber es muss so etwas wie ein Vertrag her, in dem Ihr Euch binden müsst, die anderen Reiche bei Eurem berechtigten Vergeltungsfeldzug in Ruhe zu lassen.«
»Ich protestiere energisch«, fiel ihm Fusuríl in seine Rede. »Auch wir, das Volk von Hustraban, möchten in einen solchen Vertrag eingebunden sein. Das Stellen von Geiseln wäre doch ein hervorragender Gedanke.« Die anderen murrten ihre Zustimmung.
»Seht Ihr, Hoher Herr«, raunte Mortva Lodrik zu. »Schon sind sie sich wieder alle einig, wenn es gegen Tarpol geht. Es wird bestimmt noch schöner, darauf wette ich.«
»Sicherheiten und Geiseln sind vielleicht gar kein so schlechter Gedanke«, meinte auch der Hofnarr.
Weitere Kostenlose Bücher