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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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alles verstehen. Nur Gott tut das, also hüte dich vor einem Mann, der sagt, er kenne Gottes Willen. Er ist wie ein Pferd, das glaubt, es könne seinen Reiter lenken.»
    «Und unser König glaubt das?»
    «Er glaubt, dass er von Gott bevorzugt wird», sagte Pater Christopher, «und vielleicht stimmt das auch. Immerhin ist er ein gesalbter und gesegneter König.»
    «Gott hat ihn zum König gemacht», sagte Melisande.
    «Das Schwert seines Vaters hat ihn zum König gemacht», sagte Pater Christopher scharf, «aber es kann freilich sein, dass Gott dieses Schwert geführt hat.» Er bekreuzigte sich. «Dennoch gibt es Stimmen», er sprach nun sehr leise, «die sagen, sein Vater hatte kein Recht auf den Thron. Und die Sünden der Väter suchen die Söhne heim.»
    «Ihr sagt also...», begann Hook, doch dann hütete er lieber seine Zunge, denn dieses Gespräch bewegte sich in gefährlicher Nähe zum Hochverrat.
    «Ich sage», sagte Pater Christopher nachdrücklich, «dass ich um unsere Heimkehr nach England bete, ohne dass uns die Franzosen finden.»
    «Sie haben unsere Spur verloren», sagte Hook und hoffte, dass er recht hatte.
    Um Pater Christophers Lippen spielte ein leises Lächeln. «Sie mögen nicht wissen, wo wir sind, Hook, aber sie wissen, wohin wir gehen. Also müssen sie uns gar nicht finden, nicht wahr? Alles, was sie tun müssen, ist, mit ihrer Armee vor uns zu ziehen und sich von uns finden zu lassen.»
    «Und wir machen einen Tag Rast», sagte Hook grimmig.
    «Das tun wir», sagte der Priester, «und deshalb müssen wir beten, dass unser Feind wenigstens zwei Tagesmärsche hinter uns ist.»
    Am nächsten Tag ritten sie weiter. Hook war einer der Späher, die zwei Meilen vor der Vorhut nach dem Feind Ausschau hielten. Er mochte es, als Späher eingesetzt zu werden. Es bedeutete, dass er seinen angespitzten Stock auf einen Karren werfen und vollkommen frei vor der Armee reiten konnte. Am Himmel zogen sich wieder Wolken zusammen, und der Wind war kalt. Als sie erwacht waren, hatte weißer Reif auf dem Gras gelegen, wenn er auch recht schnell wieder verschwunden war. Das Grün des Buchenlaubs hatte sich in ein mattes Rotgold verwandelt, und die Eichenblätter waren bronzefarben, während einige Bäume bereits ihr gesamtes Laub abgeworfen hatten. Die niedriger gelegenen Weiden standen nach den jüngsten Regenfällen halb unter Wasser, während sich durch die Felder, die schon für den Winterweizen gepflügt worden waren, lange silbrige Wasserstreifen zogen. Hooks Männer folgten einem Viehtreiberpfad, der an Dörfern vorbeiführte, doch die Hütten waren alle verlassen. Es gab kein Vieh und kein Korn mehr. Irgendwer, dachte Hook, wusste, dass die Engländer hier entlangkommen würden, und hatte das Land leer gefegt. Doch wer immer es gewesen war, er war verschwunden. Nirgendwo war ein Hinweis auf den Feind zu sehen.
    Mittags hatte der Regen wieder eingesetzt. Es war nur ein Tröpfeln, doch die Feuchtigkeit drang Hook bis auf die Haut. Raker, sein Pferd, wurde immer langsamer. Die ganze Armee wurde immer langsamer. Sie kamen an einer Stadt vorbei, und Hook, der inzwischen völlig abgestumpft auf seinem Pferd saß, warf kaum einen Blick auf die weiße Stadtmauer mit ihren trotzig wehenden, leuchtend bunten Bannern. Er ritt einfach nur weiter, folgte dem Weg, ließ die Stadt mit ihren Befestigungsanlagen hinter sich, bis er, mit einem Mal, genau wusste, dass sie alle Todgeweihte waren.
    Er hatte mit seinen Männern eine kleine Anhöhe erreicht, und vor ihnen erstreckte sich ein weites grünes Tal, dessen entferntere Seite sich sanft dem Horizont entgegenhob. Dort waren ein Kirchturm und ein Wäldchen zu erkennen. Das Tal war Weidegrund, wenn auch kein Tier zu sehen war, doch durch die Talsohle zog sich der Beweis dafür, dass sie alle nichts als den Tod zu erwarten hatten.
    Hook zügelte Raker und versenkte sich in den Anblick.
    Quer vor ihm, von Osten nach Westen, zog sich ein schlammiger Streifen, eine riesige, breite Narbe aus aufgewühltem Boden, auf dem kein Grashalm stehengeblieben war. Wasser glitzerte in den unzähligen Vertiefungen, die von den Pferdehufen hinterlassen worden waren. Der Grund war zerstampft, aufgebrochen, zerfurcht und von Räderspuren durchzogen, weil eine Armee durch dieses Tal gezogen war.
    Es musste eine große Armee gewesen sein, dachte Hook. Tausende Pferde hatten diese frischen Spuren hinterlassen. Er ritt an den Rand der Narbe und hatte so deutliche Hufabdrücke vor sich, dass er

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