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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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er versprochen.
    «Schreibt es auch auf Eure eigene Stirn», hatte Melisande gesagt.
    Pater Christopher hatte gelächelt. «Mein Leben liegt in Gottes Hand, meine Liebe», sagte er und malte ein Kreuzeszeichen vor ihr in die Luft, «und Er wird dich bewahren. Aber du musst hierbleiben. Hier bist du sicherer.» Dann hatte er sie zu einer Gruppe weiterer Bogenschützenfrauen gebracht, die zwischen zwei leeren Karren saßen, sich versichert, dass ihr Pferd gesattelt in der Nähe stand, und dann hatte Pater Christopher eines von Sir Johns Pferden genommen und war den Abhang zu dem Feld hinaufgeritten, auf dem die Armeen warteten. Melisande hatte ihm nachgesehen, bis er über der Kuppe der Anhöhe verschwunden war, und in diesem Moment hatte sie angefangen zu beten. Auch die anderen Frauen beteten.
    Langsam nahm Melisandes Gebet Form an. Es hatte als unzusammenhängender Schrei um Hilfe begonnen, doch als sie sich an die Jungfrau wandte, zwang sie sich, ihre Worte sorgfältig zu wählen. Nick ist ein guter Mann, erklärte sie der Muttergottes, und er ist stark, aber er kann auch zornig und unwirsch sein, also hilf ihm, stark zu sein und am Leben zu bleiben. Lass ihn am Leben.
    «Was tun wir, wenn die Franzosen kommen?», fragte Mathilda Cobbold.
    «Weglaufen», sagte eine der anderen Frauen, und im selben Augenblick erklang Gebrüll vom Kampfplatz herunter. Sie hörten einen Kriegsruf, doch die Frauen waren zu weit entfernt, um den Namen Sankt Georgs zu verstehen, nur das laute Brüllen, das ihnen zu verstehen gab, dass hinter der Hügelkuppe irgendetwas geschah.
    «Gott steh uns bei», sagte Matilda.
    Melisande öffnete den großen Beutel, der ihre Besitztümer enthielt. Sie wollte den Wappenrock herausnehmen, den ihr Vater ihr gesandt hatte, doch der Beutel enthielt auch die Armbrust mit den Einlegearbeiten aus Elfenbein, die ihr Nick vor beinahe drei Monaten gegeben hatte. Sie zog die Waffe heraus.
    «Willst du allein gegen sie kämpfen?», fragte Matilda.
    Melisande lächelte, doch sie wusste kaum etwas darauf zu sagen. Sie war so unruhig, so verängstigt, und sie wusste, dass das Geschehen hinter der Hügelkuppe ihr weiteres Leben bestimmen würde und dass sie darauf keinerlei Einfluss nehmen konnte. Sie konnte nur beten.
    «Geh hinauf, meine Liebe», sagte Nell Candeler, «und erschieß ein paar von den Bastarden.»
    «Sie ist immer noch gespannt», sagte Melisande erstaunt.
    «Was?», fragte Matilda.
    «Die Armbrust», sagte Melisande, «ich habe nie mit ihr geschossen.» Sie starrte auf die Armbrust und dachte an den Tag, an dem Matt Scarlet gestorben war. Den Tag, an dem sie die Armbrust auf ihren Vater gerichtet hatte. Seit diesem Tag war die Armbrust gespannt gewesen, ihr stahlverstärkter Schaft hatte unter dem Zug der dicken Sehne gestanden, und sie hatte es nie bemerkt. Beinahe hätte sie den Hebel zum Auslösen umgelegt, doch dann steckte sie die Armbrust kurz entschlossen wieder in den Beutel und zog den zusammengefalteten Wappenrock heraus. Sie ließ ihren Blick auf dem hellen Stoff ruhen und wollte das Gewand schon über den Kopf ziehen, als sie mit einem Mal die Gewissheit überkam, dass sie nicht das Wappen eines Feindes tragen konnte, während Nick kämpfte. Und dann überkam sie eine weitere Gewissheit, nämlich die sichere Überzeugung, dass sie Nick niemals Wiedersehen würde, solange sie versucht war, den Wappenrock ihres Vaters zu tragen. Er musste verschwinden. «Ich gehe an den Fluss», sagte sie.
    «Du kannst hier pissen», sagte Nell Candeler.
    «Ich will ein bisschen umhergehen», sagte Melisande. Dann nahm sie ihren schweren Beutel und ging nach Süden, weg von den Armeen auf dem Plateau und weg von dem Tross. Sie ging zwischen den Saumtieren der Armee hindurch, die auf einer Wiese mit Herbstgras weideten, und bald waren ihre Füße ganz nass. Sie wollte den Wappenrock in die Ternoise werfen und zusehen, wie er stromab getrieben wurde, doch der Fluss der Schwerter war zu weit entfernt, und so entschied sie sich für einen Fluss, der nach den Regenfallen der Nacht schnell und mit hohem Wasserstand dahinrauschte. Er wand sich zwischen Feldern und Baumgruppen hindurch, die südlich des Dorfes lagen, und Melisande kauerte sich an sein Ufer, an dem die Blätter der Erlen und Weiden gelbe und goldfarbene Töne angenommen hatten. Den Beutel legte sie neben sich, zog den Wappenrock heraus, schloss die Augen und hielt ihn mit beiden Händen vor sich, als sei er eine Opfergabe.
    «Beschütze Nick»,

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