Das Zeit-Tippen
die Höhle mitnehmen. Wir brauchen nur an sie zu denken, wenn wir sie nötig haben. Wir werden üben, Geister zu sein und andere Dinge zu werden und Teil von allem zu sein.“
„Werde ich auch ein Gott?“ fragte Bennie. Er versuchte, die Emailfarbe von seinen Zähnen zu kratzen, aber sie ging nicht ab.
„Nein“, sagte Dorcas, „aber du wirst ein Geist sein. Es kann nur vier Götter geben, nämlich mich, Faro, Alan – weil er tot ist – und den Gammler – weil du ihn gegessen hast.“ Doug schrie, daß er den Gammler nicht gegessen habe, aber Dorcas ignorierte ihn. „Alle übrigen können Geister sein.“
„Wohin gehen wir?“ fragte Faro Dorcas.
„Dahin“, sagte sie und zeigte mit dem Finger zu einer Hochstraße. „Zur Unterstadt.“
„Aber da unten sind die Leute tot.“
Dorcas erwiderte nichts, aber Faro marschierte los. Sie ist zu stark, dachte er. Dorcas folgte Faro und gab die Tüte mit den Köpfen Sandra. Jedesmal, wenn einer der Köpfe etwas sagte, schrie Sandra und ließ die Tüte fallen. Sie verstummten bald. Sandra versuchte, die Tüte Sal zu geben, aber der weigerte sich, sie zu tragen.
Faro übernahm die Führung, und Dorcas ging neben Fenny, gefolgt von Doug, George und Bennie. Die Zwillinge gingen am Ende; sie hänselten und beschimpften alle bis auf Faro und Dorcas. Besonders Doug war die Zielscheibe ihres Spottes, weil er verkrüppelt war.
Aus reiner Gewohnheit benutzte Faro die Seitenstraßen, aber sie waren belebter als sonst. Die Hauptstraßen mit ihren Händlern und Polizeistreifen wären zwar kürzer und abwechslungsreicher, aber auch gefährlicher gewesen. Faro ging neben dem Trottoirrand und suchte nach Zigarettenstummeln, ohne welche zu finden. Er mußte einige Male die Straße überqueren, um Krawallen aus dem Wege zu gehen. Die anderen Kinder blieben dicht hinter ihm.
Als sie zur Unterstadt hinabstiegen, stießen sie mehrmals auf Krawalle. Sie machten einen Bogen um einen großen Park, der nach Abfällen stank, um einem randalierenden Mob auszuweichen. Es sind wahrscheinlich Schreier, dachte Faro, aber er wollte kein Risiko eingehen: Sogar Schreier konnten gefährlich sein.
„Nimm diese Straße“, sagte Dorcas und zeigte auf eine Straße, in der sich Autowracks und unbenutzte Stacheldrahtrollen stapelten.
„Zu gefährlich“, sagte Faro. Er sah, daß sich etwas in der schmalen Straße bewegte. „Siehst du das?“
„Na schön“, sagte Dorcas. „Dann wird eben Fenny sie auskundschaften. Sie wird als erste üben, ein Geist zu sein. Fenny?“
Fenny nickte und lächelte.
„Nichts kann dir mehr etwas anhaben“, sagte Dorcas. „Du verwandelst dich einfach in etwas. Aber du mußt dich beeilen, sonst funktioniert es nicht.“
„Ich gehe schon“, sagte Faro beleidigt.
„Nein, Fenny geht. Und wir schauen zu. Beobachtet alle Fenny.“
„Aber wir brauchen doch nicht diese Straße zu benutzen“, sagte Faro. „Wir brauchen sie doch nicht auszukundschaften.“
„Sie muß Erfahrungen sammeln“, sagte Dorcas. „Wir sind Götter. Wir befehlen Geistern, was sie tun sollen. Ich möchte durch diese Straße gehen. Also gehen wir durch diese Straße. Du bist ein Gott, schau also zu.“ Dorcas legte den Arm um Faros Taille und schmiegte sich an ihn. Faro kicherte.
Alle kauerten sich hinter Faro und Dorcas und schauten zu. Ein paar Leute kamen die Straße entlang, achteten aber nicht auf sie. Fenny überquerte die Straße, hielt inne, bog dann in die schmalere Straße ein, und stieß wenig später einen Schrei aus. Ein kleiner, blasser Mann hatte sie beim Arm gepackt und zerrte sie zu einem Hauseingang.
„Ich kann nichts sehen“, sagte Bennie.
Sie schrie nochmals, und Doug raffte seinen Mut zusammen und rannte auf die Straße zu.
„Das ist nicht richtig“, sagte Dorcas. „Dazu ist es noch nicht an der Zeit. Aber es sollte genügen. Er wird einen jämmerlichen Geist abgeben.“
Doug erreichte Fenny, und der Mann schlug ihm ins Gesicht und zerschmetterte seine Nase. Doug fiel auf die Knie, und der Mann schlug nochmals zu.
„Keine Bange“, sagte Dorcas. „Es ist nur eine Übung. Schau zu.“ Faro atmete schwer.
„Wir haben keine Zeit, darauf zu warten, bis er sich verwandelt“, sagte Dorcas und schaute dabei Faro an. „Er wird sich schon etwas ausdenken und es selbst erledigen. So lernt er, nicht dauernd Hunger zu haben. Wahrscheinlich denkt er sich gerade etwas aus. Siehst du, er schlüpft in die Finger des Mannes. Er wird zu dessen Fingern. Er
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