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Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)

Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)

Titel: Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Kandel
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beeinflusst Vasopressin die Erektion und Ejakulation sowie typisch männliches Sozialverhalten, von Paarbindung und Revierverhalten bis hin zu Aggressionen.
    Oxytocin beeinflusst bei allen Tieren das weibliche soziosexuelle Verhalten – Paarbindung, Sexualverkehr, Geburt, mütterliche Zuwendung und Säugen. Es wird bei sexueller Stimulation freigesetzt und während der Entbindung; dort regt es den Geburtsvorgang und die Nachwehen sowie anschließend den Milchfluss an. Bei Nagetieren bewirkt eine Injektion mit Oxytocin, dass ein Weibchen eine mütterliche Bindung zu einem fremden Jungen entwickelt. In Übereinstimmung mit seiner Funktion für die Paarbindung und sexuelle Aktivität steht Oxytocin in Wechselwirkung mit dem dopaminergen Belohnungssystem. Unter bestimmten Umständen reagiert der Körper mit der Ausschüttung von Oxytocin auf Stress; in diesen Fällen dämpft es die Reaktionen auf die Stressfaktoren. Die Freisetzung von Vasopressin erfolgt bei sexueller Stimulation, einer Dehnung der Gebärmutter, Stress und Dehydratation.
    Oxytocin und Vasopressin sind für das Sozialverhalten und die soziale Kognition des Menschen von großer Bedeutung. Oxytocin begünstigt das Entstehen positiver sozialer Interaktionen, indem es Entspannung, Vertrauen, Empathie und Altruismus fördert. Man geht davon aus, dass genetische Abweichungen in den Rezeptoren für diese Neurohormone Hirnfunktionen modifizieren und so zu Änderungen im Sozialverhalten beitragen. Sarina Rodrigues und ihre Mitarbeiter an der University of California, Berkeley, haben entdeckt, dass diese genetischen Abweichungen das Einfühlungsvermögen von Personen beeinflussen, indem sie deren Fähigkeit beeinträchtigen, in Gesichtern zu lesen und Mitgefühl mit dem Leid anderer Menschen zu empfinden.
    Tatsächlich konnten Peter Kirsch und seine Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Kognitive Neurowissenschaften an der Universität Gießen feststellen, dass Oxytocin die neuronalen Schaltkreise für soziale Kognition reguliert. Das Verabreichen von Oxytocin führte bei Versuchspersonen dazu, dass sowohl die Aktivität der Amygdala als auch Angstreaktionen im vegetativen System und im Verhalten deutlich zurückgingen. Außerdem scheint Oxytocin eine positive Kommunikation zu fördern; dies ist zumindest teilweise darauf zurückzuführen, dass es die Produktion des Stresshormons Cortisol verringert und auf diese Weise zu einer Entspannung beiträgt.
    Der Psychologe Michael Kosfeld und seine Mitarbeiter in Zürich haben herausgefunden, dass Oxytocin Vertrauen stärkt und damit die Risikofreudigkeit von Menschen erhöht. Da Vertrauen für Freundschaft, Liebe und Familienstrukturen von grundlegender Bedeutung ist – ganz abgesehen von ökonomischen Transaktionen –, übt dieser Effekt des Oxytocins möglicherweise einen weitreichenden Einfluss auf das menschliche Verhalten aus. Insbesondere betrifft er unsere Bereitschaft, soziale Risiken einzugehen und uns an selbstlosen und altruistischen Interaktionen mit anderen Menschen zu beteiligen.
    Und schließlich reicht es schon aus, dass wir die Gesichter von Menschen betrachten, denen wir vertrauen, um den Hypothalamus zur Ausschüttung von Oxytocin zu aktivieren, was wiederum zur Freisetzung von Endorphinen anregt. Das beweist, dass der Umgang mit vertrauenswürdigen Menschen an sich schon lohnenswert und ein Vergnügen ist. Wir dürfen auch davon ausgehen, dass Oxytocin Empathie und soziale Bindung in Reaktion auf bestimmte Kunstwerke fördert.
    DAS VIERTE BOTTOM-UP-REGULIERUNGSSYSTEM setzt Noradrenalin frei, einen Neurotransmitter, der wachmacht; hohe Konzentrationen von Noradrenalin, die als Folge von Stress produziert werden, rufen Angst hervor. Einige noradrenerge Neuronen sind beim Erlernen neuer Aufgaben aktiv. Zudem bewirken dopaminerge und noradrenerge Neuronen langfristige Änderungen in bestimmten Synapsen, die dem Lernen zugrunde liegen.
    Das Gehirn verfügt über erstaunlich wenige noradrenerge Neuronen – nur etwa 100000. Diese finden sich gehäuft im Locus caeruleus, der an beiden Seiten des Mittelhirns sitzt. Trotz ihrer kleinen Anzahl spielen diese Neuronen eine wichtige Rolle bei der Regulierung von Emotionen, unter anderem unseren Reaktionen auf Stress bei Angststörungen, etwa einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die Axone der noradrenergen Neuronen erreichen sämtliche Bereiche des zentralen Nervensystems – das Rückenmark, den Hypothalamus, den Hippocampus, die Amygdala, die Hirnrinde und

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