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Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)

Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)

Titel: Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Kandel
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sind auch moderne, feministische Frauen. Klimt stellte Sexualität als einen natürlichen, häufig spontanen Bestandteil des Lebens dar. Das zeigen seine Zeichnungen von Frauen, die noch vollständig bekleidet in Erregung geraten und zu masturbieren beginnen. Die meisten weiblichen Akte früherer Tage schauen von der Leinwand aus den Betrachter an und bitten ihn gleichsam um Erlaubnis für ein gemeinsames und verschwiegenes erotisches Erlebnis, als könnten sie ohne männlichen Partner keine vollwertigen sexuellen Wesen sein. Dagegen bemerken Klimts Nackte den männlichen Blick nicht oder kümmern sich nicht darum (Abb. 8-8); sie gehen ganz in sich selbst und ihren Fantasien auf. Bei diesen Zeichnungen stellt der Betrachter nicht aktiv den Kontakt mit einer Figur her, die ihn ansieht, sondern ist der passive Beobachter eines privaten Aktes.
    Diese Dynamik setzt nicht nur das sexuelle Selbst-Bewusstsein des künstlerischen Objekts voraus, sondern auch Voyeurismus aufseiten der Betrachter. Demnach offenbaren diese Zeichnungen nicht nur die inneren sexuellen Sehnsüchte des Objekts, sondern auch die der Rezipienten. Selbst Modigliani, der später kam und dessen Akte verstörend sind, weil »der weibliche Körper dir buchstäblich ins Gesicht springt«, 82 verschafft uns nicht so tiefe Einblicke in die weibliche Psyche oder die männliche Sicht wie Klimt. In all diesen Gemälden anderer Künstler erfahren wir, was den nackten weiblichen Körper verführerisch und erregend macht, aber wir erfahren nur wenig darüber, wie Frauen selbst über Sexualität denken und sie erfahren mögen.

    Abb. 8-10.
Gustav Klimt (1862–1918).
Dieses Porträt wurde etwa 1908 aufgenommen,
dem Jahr, in dem er
Der Kuss malte.
    GUSTAV KLIMT WURDE 1862 IN WIEN als Sohn des Goldschmieds und Graveurs Ernst Klimt geboren. Schon sehr früh offenbarte er bemerkenswerte zeichnerische Fähigkeiten; seine wundervoll realistischen Skizzen fangen die Details einer Szene mit nahezu fotografischer Genauigkeit ein. Statt der Oberschule besuchte er bereits mit 14 Jahren die Wiener Kunstgewerbeschule, wo er zum Dekorationsmaler ausgebildet wurde. Er beendete seine Ausbildung genau zu der Zeit, in der die Erstellung der monumentalen Gebäude an Wiens Ringstraße in die Endphase ging. Der führende Künstler der Ringstraße war Hans Makart, der auf prachtvolle historische und allegorische Gemälde und offizielle Porträts spezialisiert war. Als junger Mann bemalte Klimt Theater in der Provinz und andere öffentliche Gebäude mit Ornamenten in Makarts Stil. Als Makart 1884 starb, bat man Klimt und seinen jüngeren Bruder Ernst um Mitwirkung bei der Gestaltung der beiden letzten großen Gebäude an der Ringstraße – des Kunsthistorischen Museums und des neuen Burgtheaters. Klimt wurde beauftragt, den Zuschauerraum des alten Burgtheaters zu malen (siehe Kapitel 1). Dieses Gemälde von 1888 war der erste Hinweis darauf, dass er sich von Makart abwenden, den Blick nach innen richten und einen ganz neuen, ureigenen Stil entwickeln würde.
    1892 trafen in Klimts Privatleben mehrere Ereignisse zusammen. Zuerst starb sein Vater, bald darauf auch sein Bruder Ernst. Klimt übernahm die Fürsorge für Ernsts Witwe Helene Flöge und deren Tochter. Darauf lernte er Helenes jüngere Schwester Emilie kennen, die ebenfalls Künstlerin war, und verliebte sich in sie. Es ist anzunehmen, dass diese Abfolge emotional einschneidender Erlebnisse bei dem Künstler eine Schaffenskrise bewirkte, die ihn schließlich zu einem neuen, ganz persönlichen Stil der Malerei und Ikonografie führte.
    82 Braun, E., »Carnal Knowledge«, in: Modigliani and His Models ,London 2006, S. 45.

Abb. 8-11.
Gustav Klimt,
Hygieia (1900–1907),
Detail aus Medizin .
Öl auf Leinwand.

Nicht jeder wusste den neuen Stil Klimts zu würdigen. 1894 wurde er vom Unterrichtsministerium beauftragt, für den Festsaal der Universität Wien drei Deckengemälde anzufertigen, mit denen die drei großen Fakultäten der Medizin, der Jurisprudenz und der Philosophie gefeiert werden sollten. Klimt sollte »den Sieg des Lichtes über die Finsternis« darstellen. Im Jahre 1900 stellte er Philosophie vor, 1901 Medizin und 1903 Jurisprudenz (Abb. 8-11 und 8-12). Alle drei Gemälde, die unter dem Einfluss des belgischen Malers Fernand Khnopff, einem Vertreter des Symbolismus, entstanden, waren stark metaphorisch und stießen bei einer Reihe von Fakultätsmitgliedern auf Ablehnung. Entweder waren sie ihnen zu erotisch, zu

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