Das Zeitalter der Fuenf 03 Goetter
nahm.
Sie erreichten die Halle und gingen auf die andere Seite hinüber. In einem der Bogengänge standen Shar und Vervel. Imenja trat auf sie zu.
»Da kommt er«, murmelte Shar.
Als Reivan dem Blick der anderen folgte, sah sie eine Menschenmenge aus einer der Seitenstraßen der Promenade kommen. Die Menge ergoss sich hinaus auf die Hauptdurchgangsstraße und teilte sich dort, um mehreren offenen Plattans Platz zu machen, die sich dem Sanktuarium näherten.
In den Plattans saßen Götterdiener und einige Kinder, wobei Letztere mit den Handgelenken an die Gitter der Wagen gekettet waren.
Reivan hörte ihre Gefährten erschrocken aufkeuchen und gab ihnen im Stillen recht. Warum hatte Nekaun all diese Kinder gefangen genommen? Was konnten sie getan haben, um diese Behandlung zu verdienen?
»Siyee«, sagte Vervel, und seine Stimme klang tief und dunkel von Hass.
Siyee? Reivan schaute genauer hin. Die Gesichter der Gefangenen waren nicht die von Kindern, sondern von Erwachsenen. Erinnerungen an den Krieg stiegen in ihr auf. Es war schwer gewesen, die Größe der Himmelsleute abzuschätzen, als sie in der Luft waren. Sie hatte jedoch tote Siyee auf dem Boden gesehen, hatte einen von ihnen sogar näher in Augenschein genommen, fasziniert und abgestoßen zugleich von ihren verzerrten Gliedmaßen und der Membran, die ihre Flügel bildete. Mehrere der anderen Denker hatten einige Siyee zu Studienzwecken mit nach Glymma nehmen wollen, aber die Stimmen hatten es verboten.
In dem letzten Plattan saß nur ein einziger Mann, und ihr Herz schwoll an, als sie den breit lächelnden Nekaun sah. Als der Plattan anhielt, sprang Nekaun heraus und lief ohne Anstrengung die Treppen hinauf. Er blickte nicht zu Reivan hinüber; seine Aufmerksamkeit galt ausschließlich den anderen Stimmen.
»Wie ist es euch allen in den letzten Tagen ergangen?«, fragte er. »Ich hoffe, dass während meiner Abwesenheit alles reibungslos verlaufen ist.«
»Ziemlich reibungslos«, erwiderte Vervel gelassen. »Wie ich sehe, warst du sehr beschäftigt.«
»Ja.« Nekaun wandte sich zu den Plattans um. Die Diener hatten begonnen, die Gefangenen von den Ringen loszubinden. Die Siyee waren an den Knöcheln aneinandergekettet. »Die Götter haben mich davon in Kenntnis gesetzt, dass Krieger aus Si nahten, um Klaff anzugreifen, und dass ich mich um sie und ihre Zauberin kümmern solle.«
»Zauberin?«, wiederholte Shar.
Nekaun sah zum Himmel auf und ließ seinen Blick umherwandern. »Die ehemalige Weiße.«
Imenja sog scharf den Atem ein und sah ebenfalls zum Himmel empor. »Auraya?«
Er lächelte. »Ja. Sie ist uns hierher gefolgt, daher habe ich keinen Zweifel daran, dass sie irgendwo in der Nähe ist.«
»Ist sie eine Gefahr?«, fragte Vervel.
»Das denke ich nicht. Die Siyee glauben, Aurayas Götter hätten ihr verboten, gegen uns zu kämpfen.« Nekaun lächelte, dann blickte er auf die Himmelsleute hinab. »Ich sollte unsere Gefangenen besser in ihre Zellen bringen.« Er trat einen Schritt zurück, und ein Stich der Enttäuschung durchzuckte Reivan. Er hatte sie nicht angesehen. Nicht einmal flüchtig.
»Es gibt keine Gefängniszellen im Sanktuarium«, bemerkte Imenja.
Nekaun drehte sich um und lächelte sie an. »Oh doch, die gibt es durchaus, sie sind nur seit sehr langer Zeit nicht mehr benutzt worden.«
Als er sich zum Gehen wandte, stieß Imenja einen leisen, erstickten Laut aus.
»Die Höhlen«, sagte sie mit offenkundigem Abscheu. »Wie weit ist es mit uns gekommen?«
»Sie sind unsere Feinde, und sie haben versucht, uns anzugreifen«, rief Shar ihr ins Gedächtnis.
»Die Siyee gehören in den Gefängnistrakt«, sagte sie. »Außerhalb des Sanktuariums.«
»Nekaun muss in ihrer Nähe sein, um zu verhindern, dass Auraya sie rettet«, erwiderte Shar achselzuckend. »Wir können nicht von ihm erwarten, dass er in den Gefängnistrakt übersiedelt.«
Imenja musterte ihn stirnrunzelnd, dann seufzte sie. Reivan zögerte, als ihre Herrin sich umwandte und davonging. Die Zweite Stimme blieb stehen und blickte sich nach ihr um. Sie lächelte mit offenkundiger Anstrengung.
»Komm, Gefährtin Reivan«, sagte sie leise. »Auf uns wartet Arbeit.«
Sreil hatte Schmerzen am ganzen Körper. Seine Arme taten weh, weil sie so lange in einer Position festgehalten worden waren, und seine Handgelenke waren rot und blasig von den Seilen, aber das war nicht alles. Die Wagen, mit denen sie in die Stadt gebracht worden waren, waren unablässig hin- und
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