Das zerbrochene Siegel - Roman
beinhaltet. Und ob es für die Fürsten überhaupt von Belang sein könnte.«
Die Schatten in ihrer Hütte wurden länger und zeigten Garsende, dass sie Holz nachlegen musste. Sie stand auf.
»Beatrix von Teveno, Arnold von Clemante, Ulbert von Flonheim und Bruder Bartholomäus«, zählte sie auf, während sie mit dem Schürhaken in den Flammen stocherte. »Alle hatten mit dem Dokument auf ihre Weise zu tun. Arnold und Ulbert sind tot, Bruder Bartholomäus ist verschwunden. Und nun ist Beatrix die Einzige, die wissen mag, was in dem Schriftstück steht. Darum wollt Ihr, dass ich ins Kloster gehe und bei der Kranken wache.« Das Feuer wärmte ihr Gesicht, doch Garsende fröstelte. »Ihr glaubt, jemand könnte auch ihr ans Leben wollen?«
Bandolf holte tief Luft, dann nickte er.
»Aber wer nur?«, überlegte sie laut.
»Jemand, der sich aufs Töten versteht.«
KAPITEL 11
E s dämmerte, als Bandolf die Heilerin mit demselben unguten Gefühl im Magen verließ, mit dem er sie aufgesucht hatte. Eine Weile versuchte er, sich einzureden, es läge an dem unaussprechlichen Gebräu, das sie ihm zuerst kredenzt hatte, doch schließlich gestand er sich ein, dass er sich Sorgen um sie machte.
Er hatte Garsende versichert, ihr Leben sei nicht in Gefahr, sonst hätte er sie keinesfalls gebeten, sich um die Kranke im Kloster zu kümmern. Arnolds Gattin war nicht ansprechbar. Es war ungewiss, ob sie vor ihrem Tod überhaupt noch einmal zu sich kommen würde. Darum glaubte Bandolf auch nicht, der Meuchler, der Arnold getötet hatte, würde Garsende ein Leid antun, nur um Beatrix zum Schweigen zu bringen. Läge die Kranke jedoch allein, könnte die Gelegenheit für den Mörder allzu günstig sein, der Mitwisserin ein Ende zu bereiten.
Zweifelnd nagte Bandolf auf seiner Unterlippe. Und was, wenn er sich irrte? Wenn es dem Meuchler einfiele, Beatrix beseitigen zu müssen, koste es, was es wolle? Verdammnis! Er hätte die Heilerin nicht darum bitten sollen. Matthäa würde ihm nie verzeihen, wenn Garsende durch seine Schuld zu Schaden kam, und er selbst sich auch nicht.
Drauf und dran, umzukehren und alles wieder rückgängig zu machen, blieb er stehen.
Sie ist dort ja nicht allein, argumentierte er mit sich selbst. Dicke Mauern beschirmten das Kloster, die Pförtnerin hatte ein Auge auf jeden, der es betreten wollte, und die
Heilerin wäre auch im Hospiz von Nonnen umgeben, die sich um die anderen Kranken kümmerten. Außerdem würde ein Fremder dort auffallen.
Nicht gänzlich beruhigt, setzte Bandolf seinen Weg fort.
Im Stillen hoffte er, Beatrix würde entgegen aller Erwartung doch noch einmal zu sich kommen und Garsende womöglich einen Hinweis geben, dessen er so dringend bedurfte.
Als ihm auf dem Rückweg von Hochheim nach Worms aufgegangen war, dass nur noch Beatrix übrig war, die um das Schriftstück wusste, hatte er überlegt, sie in seinem Haus in Sicherheit zu bringen. Dort, so sein Gedanke, würde er Beatrix schützen können.
Mit seinem Ansinnen war er bei der Äbtissin auf taube Ohren gestoßen. Eine Verbringung der Kranken nach Worms würde Beatrix das Leben kosten, sagte sie. Ein Argument, das Bandolf schwerlich entkräften konnte. Seinen Vorschlag, stattdessen zwei seiner Dienstleute vor Beatrix’ Zelle zu postieren, hatte die Ehrwürdige Mutter empört zurückgewiesen. Dies sei ein Nonnenkloster. Ein friedvoller Ort. Weder die Kranken noch ihre Schwestern durften durch waffenstrotzende Männer beunruhigt werden. Was der Burggraf sich denn denke, wo er sei? In einem Kriegslager? Zudem dürfe er versichert sein, dass die Mauern das Kloster schützten, und was diese Mauern nicht fernzuhalten vermochten, würde der Obsorge des Herrn anheimfallen.
Schließlich blieb die Heilerin Bandolfs letzte Möglichkeit, Beatrix im Auge zu behalten. Doch auch dieser Vorschlag wurde zunächst entrüstet abgewiesen. Sie dulde keine Kräuterdruden in ihrem Kloster, erklärte die Ehrwürdige Mutter kategorisch.
»Und was könnte ein Kräuterweib für die Kranke tun, was meine Schwestern nicht ebenso gut und besser vermöchten?«, erkundigte sie sich kühl.
»Ich hörte vor kurzem, Eure Gemeinschaft sei derzeit knapp an Händen«, meinte der Burggraf mit einem schmalen Lächeln. »Garsende könnte jene Hände entlasten, die anderswo gebraucht werden.«
Ein volles Vaterunser lang hatte die Äbtissin ihn in Grund und Boden gestarrt, doch schließlich hatte sie widerstrebend nachgegeben.
Dass auch Garsende sich so sehr
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