Das zitternde Herz
beschlossen, daß es nicht die East Side sein sollte. Ich mag die West Side.
Ich mag die Leute dort, das Feeling. Ich mag übrigens Moon«, fügte er hinzu und präzisierte damit seine Gefühle gegenüber der West Side. »New Yorker sind entweder East Side oder West Side, und ich bin West Side. Ich dachte, da wären wir uns einig. Aber der liebe große Bruder bot uns ein Apartment in seinem vornehmen Mietshaus an, und ich sagte nein. Sie bekam einen Anfall. Sie schmollte, brüllte, knallte die Türen, knallte den Hörer auf, sie be-nahm sich wie eine Irre.«
»Und?«
»Ich war wirklich wütend, als wir uns trafen, und sie entschuldig-te sich und sagte, sie habe irgendwelche Pillen genommen, gegen Angst oder Krämpfe oder so was, und daß sie nicht wirklich so sei.
Wir ließen das Thema Wohnung fallen, aber natürlich kam es später wieder zur Sprache, und mir wurde klar, daß sie nicht nachgeben würde. Sie wollte auf der East Side leben. Sie wollte in einem vornehmen Haus leben.«
»Die Sorte, wo Jackie Kennedy lebt. Keine Juden.«
»Genau. Sie war abwechselnd reizend und verärgert. Und verdammt, Kate, ich weiß nicht, wie ich da jetzt noch rauskommen soll, nach diesem Scheiß-Wochenende und allem. Letzte Nacht gerieten wir in Streit über etwas, was mit der Hochzeit zu tun hat – frag nicht was, es spielt keine Rolle –, und plötzlich war ich wieder in dem Haus, in dem wir aufwuchsen, und Mutter schrie mich an, daß ich den Knickerbocker-Grays oder wie immer die hießen, beitreten müs-se. Ich lernte ziemlich schnell, daß mein Leben die Hölle sein würde, wenn ich nicht tat, was sie von mir verlangte. Ist das zu fassen, daß ich mich an eine Frau gebunden habe, die genau wie Mutter ist?
Kann Freud so recht gehabt haben? Bin ich dabei, verrückt zu werden, Kate?«
»Ich habe gehört – frag mich nicht, ob es stimmt –, daß wir dazu neigen, Menschen zu heiraten, die wie unsere Eltern sind, weil wir damit umzugehen gelernt haben. Vielleicht bist du ein Opfer dieses Syndroms. Vielleicht wurdest du aber auch einfach irregeführt. Jeder kann eine Weile eine Rolle spielen, bis etwas diesen Menschen ruck-artig in sein eigentliches Verhalten befördert. Zum Teufel, Will, ich weiß nicht, wovon ich rede, aber ich denke, wie immer die Dinge liegen, du kannst nicht jemanden heiraten, den du nicht heiraten willst, nur weil jeder weiß, daß du sagtest, du würdest es tun.«
»Meinst du, daß ich sie vielleicht falsch einschätze?«
»Scheint mir nicht so.«
»Hättest du etwas dagegen, mal mit ihr zu sprechen, sie ein biß-
chen auszuforschen? Mal sehen, was du denkst. «
»Ich spreche mit ihr, wenn du das möchtest. Ich frage sie, ob sie mit mir Tennis spielt. Spielt sie Tennis?«
William nickte. »Sie spielt alles – sehr gut.«
»Okay, wir werden spielen, wir werden reden. Aber erwarte nicht, daß ich sie durchschaue, wenn sie versucht, mich hinters Licht zu führen. Ich bin nicht das Delphische Orakel. Ich bin nicht mal eine Fansler, außer dem Namen nach. Ich hatte Mutter immer im Verdacht, etwas mit dem Hauslehrer oder sonstwem gehabt zu haben.«
»Wir hatten keinen Hauslehrer.«
»Ich weiß. Ich denke an die Gerüchte um Edith Whartons Vater –
alles Quatsch, im übrigen. Ich versuche nur, dir zu vermitteln, daß ich möglicherweise keine große Hilfe dabei sein werde, herauszufinden, wie sie wirklich ist. Aber wenn du rauswillst, William, dann stehe ich dir zur Seite, wenn die Dinge ins Rollen kommen.«
Er umarmte sie, und dann gingen sie schweigend weiter, während Kate sich den Kopf zerbrach, worüber sie mit Muriel sprechen sollte.
Wie sich herausstellte, war es überwiegend Muriel, die redete, während sie den Ball hin- und herschlugen, um sich für ein Match warmzuspielen.
Sie schwärmte von der Schönheit des Hauses, von der Gast-freundschaft der Fanslers, dem Vergnügen, eine solche Familie zu kennen.
»Vergnügen?« war es Kate herausgerutscht.
»Oh, ja. Sie alle sind so warmherzige, freundliche Menschen, und sie haben mir das Gefühl gegeben, so willkommen zu sein. Untere oder obere Seite für den Aufschlag?«
»Untere«, sagte Kate – nicht prophetisch, wie sie hoffte. Es kam die obere. Muriel hatte den Aufschlag.
Kate war eine ziemlich gute Tennisspielerin, und die beiden stellten fest, daß sie einander ebenbürtig waren. Der erste Satz stand drei zu drei, als Kate behauptete, Durst zu haben, und sie zusammen zu einem kleinen Pavillon neben dem Tennisplatz gingen, um sich
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