Das zitternde Herz
Frau und den kleinen Kindern und deren Kinderfrau. Kate hatte auf Drängen ihres mittleren Bruders, dessen Verlobung gefeiert wurde, eingewilligt, auch zu kommen. Nachdem er der einzige Bruder war, mit dem Kate anders als nur oberflächlich und mit kühler Höflichkeit sprach, hatte sie seinen Bitten nachgegeben, ihm in seinem zu erwartenden Marty-rium beizustehen: die Familie sollte seine Verlobte gutheißen, und er brauchte Kates Unterstützung. Die Billigung der Familie, das erkannte Kate, war sogar noch niederschmetternder, als es ihre Mißbil-ligung gewesen wäre.
Kate war – höchst ungewöhnlicherweise, da sie ihre Familie mied, wenn es nur irgend ging – für das ganze Wochenende gekommen, aber sie hatte ihren Liebhaber mitgebracht, ihren ersten Liebhaber, um genau zu sein. Sie hatten sich im College kennengelernt, dann eine Weile aus den Augen verloren und sich als Doktoranden an der Universität wiedergetroffen. Er hieß Moon Mandelbaum. Er war nicht nur jüdisch, sondern fraglos das, was ihre Familie für schrecklich, entsetzlich »sechziger-typisch« hielt. Er spielte Gitarre, hatte lange Haare, er trat für die Studentenrevolten ein, war strikt für die Gegenkultur und, anders als ihre Familie, verteidigte er nicht das Verhalten Mayor Daleys bei dem berüchtigten Parteitag der Demo-kraten. Ganz im Gegenteil: er war dort gewesen und hatte gesehen, wie die Polizei auf die Demonstranten einstürmte und sie brutal zurückdrängte; man nahm seine Zeugenaussage nicht sehr begeistert auf.
Moon besaß kein Dinnerjacket, und er weigerte sich, mit Kates Unterstützung, sich auch nur eine Krawatte zum Hauptereignis des Wochenendes umzubinden – der Verkündung der Verlobung ihres Bruders William mit der Frau, die Kate und Moon bei ihrer Ankunft erstmals zu Gesicht bekommen hatten. Moon war liebenswürdig, lässig, wie man so sagt, und vermutlich imstande, jeden, der Anstoß an ihm nahm, zu überreden, es locker zu sehen, die Dinge leicht zu nehmen, sich nicht aufzuregen – Vokabeln, die nur allzu geeignet waren, jeden der anwesenden Fanslers auf die Palme zu bringen. Er und Kate schwammen im Meer, spielten ein bißchen Tennis und verschwanden für längere Zeitabschnitte, um sich in einer Weise zu beschäftigen, deren Natur niemand in der Familie auch nur einen Moment bezweifeln noch kommentieren mochte.
Die Atmosphäre war anfangs gespannt, aber schließlich, erklärte Kate Moon, war sie das immer bei Familientreffen, zumindest seit dem Tod ihrer Eltern. An diesem Wochenende jedoch hatte sie Moon, um sie bei Laune zu halten, und ihren Lieblingsbruder – den einzigen Bruder, den sie überhaupt mochte –, den sie unterstützen mußte. Weder begann noch endete das Wochenende für irgend jemanden vielversprechend, außer für Kate und Moon.
Die Fansler-Familie, welche Tanten, Onkel und eine bemerkenswerte Anzahl von Cousins und Cousinen umfaßte, war beeindruckend, ebenso wie das Haus – das groß genug für fast alle von ihnen war; die anderen waren in nahegelegenen Gasthöfen untergebracht.
Moon staunte ob ihrer Zahl. Seine Familie bestand aus seiner Mutter, dem Vater, dem Großvater und ihm selbst. Sie waren alles, was von einer weitaus größeren österreichischen Sippe übriggeblieben war.
Moon aber, der erlebt hatte, wie Trauer und der Schrecken der Erinnerung seinen Großvater und seine Eltern beherrschten, wurde zu einem Amerikaner, der in die Zukunft blickte. Als er klein war, hatte er eine Geige bekommen, doch als Jugendlicher verlegte er seine musikalischen Fähigkeiten, die beträchtlich waren, auf die Gitarre.
Das war ungefähr alles, was Kate über seinen Hintergrund wußte, außer, daß er Literatur schätzte und beschlossen hatte, sie zu lehren, wie sie selbst auch.
Die erste, durch die Kate von einem Problem erfuhr, war ihre Gastgeberin und Schwägerin, die während der Cocktails Kate mit Beschlag belegte und sie unmißverständlich anwies, sich nicht nur Williams Verlobter anzunehmen, sondern auch dafür zu sorgen, daß sie sich herzlich aufgenommen fühlte. »Hör nicht auf irgendwelchen Unsinn von William«, fügte sie hinzu. »Jeder bekommt beim Gedanken ans Heiraten kalte Füße, aber niemand nimmt auch nur die geringste Notiz von solchen Dingen. Ich zähle auf dich, Kate.«
Das war nicht sehr klug von Kates Schwägerin, denn bis zu diesem Moment hatte Kate nicht die leiseste Ahnung gehabt, daß William irgend etwas anderes als glücklich war. Jetzt fühlte sie sich natürlich auf
Weitere Kostenlose Bücher