Das zitternde Herz
Ge-tränke aus dem Kühlschrank zu holen. Schließlich ging es, erinnerte sich Kate, nicht um Tennis, worauf sie sich anscheinend sowieso nicht konzentrieren konnte, sondern eher darum, Muriel kennenzulernen.
»Sie finden es offenbar angenehmer, mit den Fanslers zusam-menzusein, als ich«, sagte Kate auf eine, wie sie hoffte, provokante Weise.
»Aber sie sind alle wundervoll«, sagte Muriel. »Ich weiß, daß William auch seine Probleme mit ihnen hat, aber ich glaube, es ist immer schwierig, seine Familie im richtigen Blickwinkel zu sehen, und ich habe ihm angeboten, ihm dabei zu helfen, ein besseres Au-genmaß zu bekommen.«
»Haben Sie dabei Ihre eigene Familie im Blick?« fragte Kate.
»Wenn ja, beneide ich Sie darum.«
»Da liegen die Dinge ganz anders«, sagte Muriel ein wenig schroff. »Meine Familie war eine Katastrophe. Kein bißchen wie Ihre. In jeder Hinsicht anders als Ihre.«
Kate sah sie aufmerksam an.
»Mein Vater war ein schwerer Alkoholiker«, sagte Muriel und starrte auf ihre lackierten Fingernägel. »Wir alle sind so schnell wie möglich aus dem Haus gegangen. Meine Mutter kam nicht mit ihm zurecht und hatte solche Angst, ihn zu kränken, daß wir ganz auf uns allein gestellt waren. Eine gräßliche Familie, wirklich überhaupt nicht wie Ihre.«
Kate fiel keine vernünftige Antwort ein, also blieb sie stumm. Sie konnten sich schließlich hinsichtlich der Frage, welche Familie die größere Katastrophe sei, kaum in gegenseitigen Beschimpfungen ergehen. Unbestreitbar war, daß Kates Familie Geld hatte und Muriels nicht. Kate versuchte, großzügig zu denken: Wenn sie nie genug Geld gehabt hätte, würde sie die Fanslers nicht auch überaus annehmbar finden? Die Frage, rief Kate sich ins Gedächtnis zurück, war jedoch, ob Muriel in William oder in den gesellschaftlichen Status der Familie Fansler verliebt war.
»Ich weiß, was Sie denken«, sagte Muriel und drehte dabei ihren Tennisschläger hin und her. »Sie denken, ich will William nur wegen seines Geldes. Na ja, ich gebe zu, das Geld spielt eine Rolle. Aber ich würde nie jemanden, den ich nicht liebe, heiraten, nur weil er Geld hat. «
»Aber würden Sie jemanden, den Sie lieben, auch heiraten, wenn er kein Geld hat?« fragte Kate beiläufig.
»Natürlich«, sagte Muriel. »William ist ein Mensch, den man lieben muß, das kam zuerst. Sollen wir weiterspielen, oder war das nur ein Vorwand, um mit mir zu sprechen?«
»Ja, ich wollte mit Ihnen sprechen«, sagte Kate, »aber lassen Sie uns auf jeden Fall zu Ende spielen.«
William kam zu Kate ins Zimmer, als sie sich gerade zum Abendessen umzog. Sie hatte für den Rest des Nachmittags ihre Ten-nissachen anbehalten und war nachdenklich umhergewandert. Dabei war sie von Moon abgefangen worden und hatte ihm ihr Problem anvertraut. Zum Schluß erzählte sie ihm alles, ihre intuitive Antipa-thie und ihr Mißtrauen gegenüber Muriel und Williams Ängste eingeschlossen.
»Was mich beunruhigt«, sagte sie zu Moon, »ist nicht, daß sie sich für sein Geld interessiert. Warum sollte sie nicht? Ich werde bloß das Gefühl nicht los, daß sie sich nur dafür interessiert. Außerdem ist sie nicht besonders helle. Sonst hätte sie anders mit mir gesprochen – verstehst du, was ich meine, Moon? – sie hätte versucht, herauszufinden, was für ein Mensch ich bin. Sie hat William ganz offensichtlich nicht richtig zugehört, und sie kann sich nicht vorstellen, daß irgend jemand, der das Glück hat, ein Fansler zu sein, den Wunsch eines anderen, auch einer zu sein, nicht versteht. Ich glaube nicht, daß sie William glücklich machen wird, aber ich hasse es, Entscheidungen für andere zu treffen. Vielleicht irre ich mich. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
Moon wußte nicht, was er ihr raten sollte, aber er wies darauf hin, daß Williams Dilemma uralt war und einige der ältesten Geschichten der Welt inspiriert hatte: der reiche Mann (oder die reiche Frau na-türlich), der das Gerücht verbreitet, kein Geld zu haben, um herauszufinden, wie aufrichtig die Liebe der Geliebten ist.
»Du meinst, man sollte ihr erzählen, daß William kein Geld bekommen wird? Warum sollte sie das glauben? Und überhaupt, sie müßte nur bei meinen anderen Brüdern und deren Ehefrauen, die Muriel ziemlich gern mögen, nachfragen, um herauszufinden, daß das nicht stimmt. «
»Laß mich darüber nachdenken«, sagte Moon. Und sie gingen ei-ne ganze Weile schweigend nebeneinander her, während Moon nachdachte. Etwas, was
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