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Das zweite Imperium der Menschheit

Das zweite Imperium der Menschheit

Titel: Das zweite Imperium der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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sein Sohn geschnitzt
war. Bisher hatte er sich noch nicht von der Tatsache überzeugen können,
was es bedeutete, ein positiver Mutant zu sein.
    Sie kamen am Weidegebiet der Farm vorbei. Sämtliche Rinder und ihr zahlreicher
Nachwuchs weideten in diesem riesigen Wiesengebiet. Unter den Rindern hatte
es ebenfalls Mutationen gegeben – positive und negative. Sie waren auf
eine Herde von hundertdreißig Stück angewachsen, unter denen sich
achtzig Milchkühe befanden. Es gab also jeden Tag genügend frische
Milch, es konnte Butter in größeren Mengen hergestellt werden und
Käse. Die elektrische Versorgung klappte so gut, dass sie sogar ein Kühlhaus
eingerichtet hatten.
    Abends liefen die Jäger wieder in ihrem kleinen Privathafen ein. Sie warfen
die Weidenkörbe voller Fische und ein geschossenes Stück Wild auf
den Materialaufzug, der die Verbindung zwischen Hiorakonpolis und dem tiefer
gelegenen Ufer herstellte. Ein Schaufelrad trieb ein endloses Seil an, in das
ein Haken eingeklemmt werden konnte. Dann lief es oben um eine Rolle herum und
brachte den Lift wieder zu Tal.
    Die Schienen bestanden aus Baumstämmen, in die man Eisenblätter eingeklemmt
hatte; eiserne Räder liefen auf eisernen Achsen. Man hörte den Lift
zwar sehr weit, aber er funktionierte.
     
    Später Nachmittag: Gabriella, die Tochter von Clyde und Tessie, den Architekten,
kam vom Baden. Hitze lagerte über dem Tal und machte die Siedler schläfrig.
Durch die unbewegliche Luft hörte die junge Frau die Glocken der Rinder
und einen kläffenden Hund. Gabriella zog sich aus und legte sich in den
Schatten. Die Gräser wisperten kaum hörbar. Sie rieben aneinander
wie die Sandkörner einer Wüste.
    Das monotone, freundliche Knistern machte Gabriella schläfrig. Die junge
Frau lag nicht weit entfernt von einem Baum, der an seinem Wurzelsystem Moose
und Flechten angesetzt hatte. Gabriella hatte noch nie einen Baum gesehen, der
mit solch mächtigen Flechtensträhnen ausgerüstet war. Sie hingen
wie ein dichter Vorhang von den hochgezogenen Wurzeln und berührten mit
ihren Endfäden den Boden.
    Heterotrophe Pflanzen sind so etwas wie Schmarotzer. Sie leben davon, dass andere
Pflanzen ihnen Nährstoffe vorbereiten und klammern sich eng an ihre Wirte,
so dass sie fast wie ein Gewebe erscheinen. Sie leben von verfaulenden Bäumen,
von schimmelnden Aasresten und von Dingen, die tot sind und im Begriff, sich
durch Bakterien in Humus zu verwandeln. Flechten sind solche Gemeinschaften.
    Gräser sind autotrophe Pflanzen. Sie ziehen die Nährstoffe, die sie
brauchen, aus dem Boden, verarbeiten bei der Photosynthese das Kohlendioxyd
der Atemluft. Gewisse Gräser gehen mit Flechten Lebensgemeinschaften ein.
In der Natur herrscht nur ein einziges Prinzip: das Prinzip von der Erhaltung
der Rasse.
    Wenn die Natur spürt, dass eine Art zu wenig Lebensraum findet, dann kennt
sie einen Weg, ihr zu helfen. Noch dazu, wenn sie die Möglichkeit hat,
Mutationen in planetarer Breite auszuwählen.
    Die Gräser legten sich in dichten Wällen übereinander und lauerten
wochenlang. Sie warteten, bis es regnete und speicherten im Innern ihrer Schichten
die entstehende Wärme. Sie handelten nicht, weil sie es wussten, sondern
weil irgendetwas sie trieb. Intelligenz hatten sie nicht entwickelt, und Falcis’
Strahlen hatten ihnen keinen Vorteil. Aber sie lauerten ... lange. Eines Tages
war es soweit:
    Die Hitze im Innern der Haufen wuchs. Sie steigerte sich, bis die Gräser
zurückwichen und Luft hereinließen. Dann entzündete sich der
Wall aus Gras. Es war trocken und brannte in einer sichelförmigen Fläche.
Unter den trockenen Gräsern waren solche, deren ätherische Öle
teuflische Dämpfe ausströmten, die jedes Tier bewusstlos werden ließen.
Schon oft hatten sie den Flechten auf diese Weise zu einem Aas verholfen. Qualm
stieg auf und breitete sich über den Boden aus. Von drei Seiten lief die
knisternde Feuerwand auf den Baum zu.
    Gabriella hustete einige Male, dann stemmte sie sich hoch. Sie sah das Feuer,
wusste, dass sie verloren war, wenn sie nicht sofort hier herauskam. Das untere
Ende der Decke brannte bereits. Das Ölgras verwirrte ihr die Sinne. Sie
fiel auf die Knie. Wieder riss sie sich hoch. Die Augen brannten. Sie bekam
fast keine Luft mehr. Sie taumelte zum Baum und versank bis an die Hüften
in einer pulvrigen Masse. Es waren zerfressene Holzteile, Nadeln

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