Das zweite Königreich
selbst gesagt hat, daß es Zeit werde, sich der Schotten anzunehmen. Er will gleich nach seiner Ankunft in England seine Vasallen zusammenrufen, um sich in der Angelegenheit mit ihnen zu beraten. Ein außerplanmäßiger Hof, wenn du so willst. Du sollst auch kommen. Das heißt, er wünscht, daß du uns nach Winchester begleitest und dort bist, wenn er eintrifft, läßt er dir ausrichten.« Er verneigte sich knapp vor Aliesa. »Die Einladung gilt auch für Euch, Madame.«
»Ich bin hingerissen, mein Prinz«, erwiderte sie leichthin, wechselte einen kurzen Blick mit Cædmon und sah in seinen Augen, was sie selber dachte: Die friedlichen, unbeschwerten Tage waren vorüber.
Sie brachen drei Tage später auf. Rufus hatte zur Eile gedrängt und wäre lieber gleich am nächsten Morgen nach Winchester geritten, doch er sah ein, daß Cædmon und Aliesa ein paar Vorbereitungen zu treffen hatten, ehe sie Helmsby auf unbestimmte Zeit verlassen konnten.
Einen Tag vor ihrer Abreise kehrte auch Erik endlich zurück. Hyld empfing ihn freudestrahlend, aber ohne großes Getue, so als sei er zwei Tage fortgewesen, nicht zwei Jahre. Durch nichts ließ sie sich anmerken, wie unglücklich und besorgt und einsam sie in all der Zeit oft gewesen war. Denn das, vertraute sie Aliesa später an, sei die sicherste Methode, Erik ein schlechtes Gewissen zu machen. Und er wirkte auch tatsächlich zerknirscht und erklärte, er wäre ja schon vor Monaten zurückgekommen, wäre er nicht mitten auf der Nordsee Prinz Knut vor den Bug gelaufen, der auf dem Heimweg nach Dänemark war, um sich nach dem Tod seines Bruders zum König krönen zu lassen, und weil sein Anspruch keineswegs unangefochten war, hatte er wiederum Eriks Dienste gefordert.
»Was hätte ich tun können, Hyld? Ich bin Untertan der dänischen Krone, ganz gleich, wo ich lebe.«
Hyld nickte voller Verständnis und legte unter dem Tisch die Hand auf sein Bein.
»Also Knut ist König von Dänemark …«, murmelte Cædmon versonnen.
»Ist das gut oder schlecht?« fragte Rufus.
Cædmon zuckte mit den Schultern, und ihm lag auf der Zunge zu sagen, daß ein Pirat letztlich so gut oder schlecht wie der andere sei, besann sich aber im letzten Moment und sah Erik fragend an. »Was denkst du?«
Erik grinste und zeigte zwei Reihen bemerkenswert guter Zähne, die in seinem schwarzen Bart regelrecht zu leuchten schienen. »Es ist bestimmt gut für Dänemark. Aber wenn ihr wissen wollt, ob Knut auf die Idee kommen könnte, irgendwann noch einmal sein Glück in England zu versuchen … Es würde mich nicht wundern.«
»Das finde ich nicht komisch«, erklärte Leif finster.
Sein vorwurfsvoller Blick schien Erik nicht sonderlich zu erschüttern.Er hob kurz die Schultern, stand auf und zog seine Frau mit sich hoch. »Auf jeden Fall könnte König Knut dir reichlich Stoff für dein komisches Geschichtsbuch liefern, Brüderchen. Und wenn ihr uns jetzt entschuldigen wollt …«
Winchester, Juli 1080
»Willkommen daheim, Sire.«
Der König grinste flüchtig. »Das hat noch keiner gesagt. Der Erzbischof von Canterbury, der Chancelor, der Steward, der Constable und der Chamberlain, sie alle sagen ›Willkommen in England, Sire‹. Nur Ihr sagt ›daheim‹. Die Cædmonische Art und Weise, mir meine lange Abwesenheit vorzuwerfen.«
Cædmon rieb sich verlegen das Kinn an der Schulter und sah sich bei der Gelegenheit unauffällig um. Natürlich hörte der ganze Hof zu. Alle hatten sich im Innenhof vor der Halle versammelt, um die Ankömmlinge zu begrüßen.
»Wie käme ich dazu, mein König?«
William antwortete nicht gleich. Er ließ den Blick kurz über die Versammelten schweifen, über die Nebengebäude, die Palisaden und das prächtige Hauptgebäude, dann hinauf zum unverändert blauen Sommerhimmel und murmelte: »Wißt Ihr, es ist wirklich gut, wieder in England zu sein. Ihr habt Neuigkeiten aus Dänemark, sagt Rufus?«
»Vermutlich nichts, was Ihr nicht längst wißt.«
»Kommt trotzdem vor dem Essen zu mir.«
»Wie Ihr wünscht, Sire.«
William nickte ihm zu, und Cædmon trat beiseite, um den Nachfolgenden Platz zu machen, und begrüßte die Königin.
»Ich hoffe, Ihr hattet eine gute Reise, Madame?«
Sie lächelte. »Schauderhaft. Schiffe und ich sind einfach nicht füreinander geschaffen. Ich höre, Ihr habt einen Sohn, Cædmon. Ich gratuliere Euch. Wie glücklich Ihr sein müßt.«
Er strahlte. »Danke. Ja, das sind wir.«
Sie legte federleicht die Hand auf seinen Arm, neigte
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