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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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sie werden nie weggeworfen. Ich hätte immer Angst gehabt, dass mich irgendwer auf der
Straße erkennt.« Sie wartete auf eine Reaktion von Rebus, und als der sich nachdenklich und
leicht verwirrt zeigte, lachte sie kehlig. »Es ist also nicht so, wie die Leute immer behaupten.
Man kann einen Bullen doch in Verlegenheit bringen.«
»Manchmal.« Rebus' Kopf glühte. Verschämt legte er eine Hand auf eine Wange. Er musste unbedingt
etwas dagegen tun. »Also«, sagte er, »war Ronnies Kamera tatsächlich viel wert?«
Sie schien verblüfft über diese Wendung des Gesprächs und zog das Handtuch noch enger um sich.
»Kommt drauf an. Ich meine, materieller und ideeller Wert, das ist doch nicht dasselbe,
oder?«
»Nicht?«
»Nein, nein, nein.« Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass sich das Handtuch löste. »Ich hab
immer gedacht, man musste helle sein, um zur Kriminalpolizei zu kommen. Was ich meine ist...« Sie
hob den Blick zur Decke und das Handtuch rutschte ihr vom Kopf, so dass ihr nasse Ringellocken
wie Rattenschwänze in die Stirn fielen. »Nein, ach was soll's. Die Kamera hat etwa hundertfünfzig
Pfund gekostet. Okay?«
»Okay.«
»Sie interessieren sich wohl für Fotografie?«
»Erst seit kurzem. Noch 'nen Tee?«
Er schenkte ihr Tee ein und tat ein ganzes Tütchen Zucker hinzu. Sie trank ihn sehr süß.
»Danke«, sagte sie und legte die Hände um den Becher. »Hören Sie.«
Sie hielt ihr Gesicht in den Dampf, der von dem Tee aufstieg. »Darf ich Sie um einen Gefallen
bitten?«
Jetzt kommt's, dachte Rebus. Geld. Er hatte sich bereits vorgenommen nachzusehen, ob irgendwas in
der Wohnung fehlte, bevor er sie gehen ließ. »Was denn?«
Jetzt sah sie ihm direkt in die Augen. »Kann ich hier übernachten?«
Die Worte schossen förmlich aus ihr heraus. »Ich schlafe auf der Couch oder auf dem Fußboden. Ist
mir ganz egal. Ich will bloß nicht in dieses Haus zurück. Nicht heute Abend. Es war in letzter
Zeit alles ziemlich irrsinnig, und dann diese Männer, die mich verfolgt haben...« Sie zitterte,
und Rebus dachte, wenn das alles Theater war, dann musste sie eine erstklassige
Schauspielschülerin sein. Er zuckte die Achseln und wollte etwas sagen. Aber stattdessen stand er
auf und ging zum Fenster, um die Entscheidung hinauszuzögern.
Die orangenen Straßenlaternen waren an und beleuchteten das Pflaster, als sei es eine
Hollywood-Filmkulisse. Draußen stand ein Auto, direkt gegenüber der Wohnung. Da er im zweiten
Stock wohnte, konnte Rebus nicht in das Auto hineinsehen, doch das Fenster an der Fahrerseite war
heruntergekurbelt und Rauch strömte heraus.
»Und?«, sagte die Stimme hinter ihm. Sie hatte jetzt jede Zuversicht verloren.
»Was?«, sagte Rebus abgelenkt.
»Kann ich?« Er drehte sich zu ihr um. »Kann ich bleiben?«, wiederholte sie.
»Klar«, sagte Rebus und ging zur Tür. »Bleib solange du willst.«

Er war bereits ein gutes Stück die gewundene Treppe hinuntergelaufen, als er merkte, dass er
keine Schuhe anhatte. Er blieb stehen und überlegte. Nein, zum Teufel damit. Seine Mutter hatte
ihn immer vor Frostbeulen gewarnt, aber er hatte nie welche bekommen. Jetzt war eine gute
Gelegenheit festzustellen, ob er in dieser Hinsicht immer noch Glück hatte.
Als er an der Tür im ersten Stock vorbeikam, ging diese mit lautem Gerassel auf und Mrs. Cochrane
stellte sich in ihrer ganzen Breite Rebus in den Weg.
»Mrs. Cochrane«, sagte er, nachdem er den ersten Schreck überwunden hatte.
»Da.« Sie schob ihm etwas zu, und er konnte nichts anderes tun, als es annehmen. Es war ein Stück
Pappe, etwa zwanzig mal dreißig Zentimeter groß. Rebus las, was darauf stand: SIE SIND AN DER
REIHE DIE TREPPE ZU PUTZEN. Als er wieder aufblickte, ging Mrs. Cochranes Tür bereits zu. Er
konnte hören, wie sie auf ihren Pantoffeln zurück zu ihrem Fernseher und zu ihrer Katze
schlurfte. Alte Stinkerin.
Rebus nahm die Pappe mit nach unten, die Stufen fühlten sich durch die Socken empfindlich kalt
an. Und die Katze roch auch nicht allzu gut, dachte er gehässig.
Die Haustür war nicht abgeschlossen. Er öffnete sie vorsichtig, damit die alten Scharniere so
wenig Lärm wie möglich machten. Das Auto stand noch da. Direkt vor ihm, als er nach draußen trat.
Doch der Fahrer hatte ihn bereits gesehen. Der Zigarettenstummel flog auf die Straße, und der
Motor wurde gestartet. Rebus lief auf den Zehenspitzen weiter.
Im gleichen Augenblick gingen die Scheinwerfer des Autos an, ihr Lichtstrahl war so

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