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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Namen genannt ­ nicht hide, wie verstecken,
sondern H-Y-D-E.
Hyde!
Rebus stieß einen Freudenschrei aus. Es gab eine Verbindung, wie schwach sie auch sein mochte.
Eine Verbindung zwischen Ronnie und James Carew. Etwas, das über eine flüchtige Transaktion auf
dem Calton Hill hinausging. Ein Name. Rasch blätterte er die übrigen Seiten durch.
Hyde tauchte noch dreimal auf, immer am späten Abend (wenn am Calton Hill der Betrieb losging),
und immer freitags. Mal der zweite Freitag im Monat, mal der dritte. Vier Eintragungen im Laufe
von sechs Monaten.
»Irgendwas gefunden?« McCall beugte sich neugierig über Rebus' Schulter.
»Ja«, sagte Rebus. Dann überlegte er es sich anders. »Nein, eigentlich nicht, Tony. Bloß ein
altes Tagebuch, aber der Kerl war kein großer Schreiber.«
McCall nickte und zog wieder ab. Ihn interessierte die Hi-Fi-Anlage viel mehr.
»Der Typ hatte Geschmack«, sagte McCall, während er die Anlage begutachtete. »Plattenspieler von
Linn. Weißt du, wie viel so was kostet, John? Hunderte. Die sehen nach nichts aus, sind aber
einfach verdammt gut.«
»Also ein bisschen so wie wir«, sagte Rebus. Er spielte mit dem Gedanken, den Terminkalender in
seine Hose zu schieben. Er wusste, dass das nicht erlaubt war. Und was würde es ihm bringen? Aber
wo Tony McCall ihm gerade so günstig den Rücken zuwandte... Nein, nein, er konnte es nicht.
Geräuschvoll warf er den Kalender in die Schublade zurück, schob die Schublade wieder zu und
schloss sie ab.
Dann gab er den Schlüssel McCall, der immer noch vor der Hi-Fi-Anlage hockte.
»Danke, John. Weißt du, das sind echt schöne Geräte.«
»Ich wusste gar nicht, dass du dich für so was interessierst.«
»Schon als Kind. Musste meine Anlage verkaufen, als wir geheiratet haben. Zu laut.« Er richtete
sich auf. »Glaubst du, dass wir hier irgendwelche Antworten finden?«
Rebus schüttelte den Kopf. »Ich glaube, er hat all seine Geheimnisse für sich bewahrt.
Schließlich war er ein sehr zurückgezogen lebender Mann. Nein, ich glaube, er hat die Antworten
mit ins Grab genommen.«
»Na prima. Dann ist ja alles klar, was?«
»Kristallklar, Tony«, sagte Rebus.

Was hatte der alte Mann, Vanderhyde, noch mal gesagt? Irgendwas von falschen Spuren legen. Rebus
hatte das quälende Gefühl, dass es für diese vielen Rätsel eine einfache Lösung gab, so
kristallklar, wie man sie sich nur wünschen konnte. Das Problem war nur, dass auch noch andere
Geschichten mit dem Ganzen verwoben waren. Vermische ich meine Metaphern? Na schön, dann
vermische ich halt meine Metaphern. Jetzt ging es einzig darum, auf den Grund dieses Sumpfes
zu gelangen und die kleine Schatzkiste nach oben zu holen, die man Wahrheit nennt.
Er wusste außerdem, dass es sich um ein Problem der Zuordnung handelte. Er musste die miteinander
verknüpften Geschichten in separate Stränge teilen und dann damit arbeiten. Zur Zeit machte er
den Fehler, dass er versuchte, sie alle zu einem Muster zu verweben, ein Muster, das vielleicht
gar nicht da war. Wenn er die Geschichten voneinander trennte, hatte er vielleicht die Chance,
jede für sich zu lösen.
Ronnie hatte Selbstmord begangen. Carew ebenfalls. Dadurch bestand eine zweite Gemeinsamkeit
zwischen ihnen, abgesehen von dem Namen Hyde. War das vielleicht ein Kunde von Carew? Jemand, der
ein größeres Objekt erworben hatte mit dem Geld, das er durch den Handel mit harten Drogen
verdient hatte? Das wäre gewiss eine Verbindung.
Hyde. Der Name könnte falsch sein. Wie viele Hydes gab es im Edinburgher Telefonbuch? Es könnte
durchaus ein Deckname sein.
Schließlich benutzten männliche Prostituierte selten ihren eigenen Namen. Hyde. Jekyll und Hyde.
Ein weiterer Zufall: Rebus hatte an dem Abend, als Tracy zu ihm kam, das Buch von Stevenson
gelesen.
Vielleicht sollte er nach jemandem suchen, der Jekyll hieß. Jekyll, der ehrenwerte Doktor, von
der Gesellschaft geachtet; Hyde, sein Alter Ego, klein und viehisch, ein Geschöpf der Nacht. Er
erinnerte sich an die schattenhaften Gestalten, denen er auf dem Calton Hill begegnet
war...
Konnte die Antwort so offenkundig sein?
Er parkte auf dem einzigen freien Platz vor der Great London Road Station und stieg die
vertrauten Stufen hinauf. Sie schienen mit den Jahren immer höher zu werden, und er hätte
schwören können, dass es jetzt mehr waren als damals, als er hier angefangen hatte ­ wann war das
gewesen? ­ vor sechs Jahren? Eigentlich gar kein so langer Zeitraum im

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