Das zweite Zeichen
zur Tür
ging.
»Hallo, John.« Jetzt schlug eine viel kräftigere Hand auf Rebus'
Schulter. Sie gehörte Tommy McCall.
»Hallo, Tommy.« Rebus nahm seinen Drink von dem Barmann entgegen, und McCall reichte sein leeres
Glas hinüber, um es wieder füllen zu lassen.
»Schön, dass Sie kommen konnten. Natürlich geht's heute Abend nicht ganz so ausgelassen zu wie
sonst. Alle sind ein bisschen bedrückt.«
»Bedrückt?« Das stimmte, die Gespräche um sie herum waren gedämpft. Dann bemerkte Rebus ein paar
schwarze Krawatten.
»Ich bin bloß gekommen, weil ich glaube, James hätte es so gewollt.«
»Natürlich«, sagte Rebus nickend. Den Selbstmord von James Carew hatte er schon wieder völlig
vergessen. Mein Gott, dabei war das erst heute Morgen passiert! Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor.
Und all diese Leute hier waren Carews Freunde oder Bekannte gewesen. Rebus' Nasenspitze
zuckte.
»Hat er in letzter Zeit irgendwie deprimiert gewirkt?«, fragte er.
»Eigentlich nicht. Er hatte sich doch gerade dieses Auto gekauft. Wohl kaum ein Zeichen von
Depression!«
»Vermutlich nicht. Haben Sie ihn gut gekannt?«
»Ich glaube, keiner von uns hat ihn besonders gut gekannt. Er war ein ziemlicher Einzelgänger.
Und natürlich hielt er sich häufig außerhalb der Stadt auf, teils geschäftlich, teils auf seinem
Landsitz.«
»Er war nicht verheiratet, oder?«
Tommy McCall starrte ihn an, dann trank er einen großen Schluck Whisky. »Nein«, sagte er, »Ich
glaube nicht, dass er je verheiratet war. In gewisser Weise ist das ein Segen.«
»Ja, ich verstehe, was Sie meinen«, sagte Rebus, der spürte, wie sich der Gin allmählich
bemerkbar machte. »Aber ich versteh immer noch nicht, warum er es getan hat.«
»Es sind doch immer die Stillen, nicht wahr? Das hat Malcolm erst vor ein paar Minuten
gesagt.«
Rebus schaute sich um. »Ich hab unseren Gastgeber noch gar nicht gesehen.«
»Ich glaube, er ist im Wohnzimmer. Soll ich einen Rundgang mit Ihnen machen?«
»Ja, warum nicht?«
»Es lohnt sich.« McCall blickte Rebus an. »Sollen wir oben im Billardraum oder unten am
Swimming-Pool anfangen?«
Rebus lachte und schüttelte sein leeres Glas. »Ich glaube, als Erstes gehen wir noch mal an die
Bar, meinen Sie nicht?«
Das Haus war fantastisch, es gab kein anderes Wort dafür. Rebus dachte kurz an den armen Brian
Holmes und lächelte. Wir sind schon ein schönes Gespann, Junge. Die Gäste waren auch nett. Einige
kannte er von Ansehen, einige dem Namen nach, ein paar vom Hörensagen und viele vom Namen des
Unternehmens her, das sie leiteten. Doch vom Gastgeber war nichts zu sehen, obwohl jeder
behauptete, »früher am Abend« mit ihm gesprochen zu haben.
Später dann, als Tommy McCall allmählich laut und betrunken wurde, entschloss sich Rebus, der
auch nicht mehr ganz sicher auf den Beinen war, zu einem weiteren Rundgang durch das Haus.
Diesmal jedoch allein. Im ersten Stock gab es eine Bibliothek, in die sie beim ersten Mal nur
einen flüchtigen Blick geworfen hatten. Doch da drinnen stand ein Schreibtisch, den Rebus sich
unbedingt genauer ansehen wollte. Auf dem Treppenabsatz blickte er um sich, doch alle schienen
unten zu sein. Einige wenige Gäste hatten sogar Badesachen angezogen und tummelten sich an oder
in dem sechs Meter langen Pool im Untergeschoss.
Er drückte die schwere Messingklinke herunter und huschte in die schwach beleuchtete Bibliothek.
Drinnen roch es nach altem Leder, ein Geruch, der Rebus in längst vergangene Jahrzehnte
zurückversetzte in die zwanziger oder vielleicht in die dreißiger Jahre. Auf dem Schreibtisch
stand eine Lampe, deren Licht auf einige Papiere fiel.
Rebus war schon am Schreibtisch, bevor es ihm auffiel: die Lampe war bei seinem ersten Besuch
nicht an gewesen. Er drehte sich um und sah Lanyon, der auf der anderen Seite des Raumes gegen
die Wand gelehnt stand, die Arme verschränkt und grinsend.
»Inspector«, sagte er. Seine Stimme war genauso gediegen wie sein maßgeschneiderter Anzug. »Was
für ein interessantes Jackett Sie tragen. Saiko hat mir gesagt, dass Sie hier sind.«
Lanyon kam langsam auf ihn zu und streckte eine Hand aus. Rebus nahm sie und erwiderte den
kräftigen Druck.
»Ich hoffe, ich bin nicht...«, begann er. »Ich meine, es war nett von Ihnen...«
»Du lieber Gott, keine Ursache. Kommt der Superintendent auch?«
Rebus zuckte die Schultern und spürte, wie das Jackett im Rücken spannte.
»Nein. Nun ja, egal. Ich sehe, dass Sie wie ich ein
Weitere Kostenlose Bücher