Dass du ewig denkst an mich
Gregg. »Ich hatte gehofft, daß
sie bei Ihnen ist. Sarah, Brendon Moody ist hier. Und Justin ist
hierher unterwegs. Sarah, die Hawkins sind die Leute, die
Laurie entführt haben. Justin und Moody sind sich dessen ganz
sicher. Wo ist Laurie?«
Mit instinktiver Sicherheit wußte es Sarah. »Das Haus«,
sagte sie. »Ich fahre zu dem Haus.«
109
Ein verstauchter Knöchel ist nicht so schlimm, versuchte
Laurie sich einzureden, während sie die vertraute Straße
entlang fuhr. Aber das war es nicht. Da war irgend etwas
Schreckliches passiert. Sie wußte es. Den ganzen Tag über
hatte sie es gespürt.
Sie lenkte den Wagen von der Straße in die Einfahrt. Das
Haus wirkte verändert. Die Hawkins hatten an Stelle der blauen
Vorhänge schwarze Jalousien angebracht, so daß das Haus
finster und abweisend wirkte. Es erinnerte sie an ein anderes
Haus, ein dunkles, geschlossenes Haus, in dem schreckliche
Dinge geschahen.
Sie eilte den Weg hinauf und über die Terrasse zum
Eingang. Eine Sprechanlage war eingebaut worden. Man
mußte Laurie gesehen haben, denn als sie den Klingelknopf
drückte, hörte sie eine Frau sagen: »Die Tür ist nicht
abgeschlossen. Kommen Sie rein.«
Sie drehte den Türknopf, trat ins Foyer und schloß die Tür
hinter sich. Das Foyer, das gewöhnlich vom Licht aus den
umliegenden Zimmern erhellt war, lag im Halbdunkel. Laurie
blinzelte und sah sich um. Kein Laut war zu hören.
»Sarah«, rief sie. »Sarah.«
»Wir sind in deinem alten Zimmer und warten auf dich«,
antwortete eine Stimme aus der Ferne.
Sie begann die Treppe hinaufzusteigen, zuerst schnell und
dann mit immer schwereren Schritten.
Der Schweiß brach ihr aus. Ihre Hand, die sich an das
Treppengeländer klammerte, hinterließ eine feuchte Spur. Ihre
Zunge fühlte sich dick und trocken an. Ihr Atem ging hastig in
kurzen, qualvollen Stößen. Sie war jetzt oben an der Treppe
angelangt und wandte sich dem Korridor zu. Die Tür zu ihrem
Zimmer war geschlossen.
»Sarah!« rief sie.
»Komm herein, Lee!« Diesmal war die Stimme des Mannes
ungeduldig, so ungeduldig, wie sie früher immer war, wenn sie
seinem Befehl nicht nachkommen wollte, mit ihm
hinaufzugehen.
Verzweifelt stand sie vor ihrer Schlafzimmertür. Sie wußte,
daß Sarah nicht da war. Sie hatte immer gewußt, daß sie eines
Tages auf sie warten würden. Und heute war es soweit.
Die Tür schwang nach innen, Opal hatte sie geöffnet. Ihre
Augen waren kalt und feindselig, wie damals, als Laurie sie
zum erstenmal gesehen hatte; ein Lächeln, das kein Lächeln
war, teilte ihre Lippen. Opal trug einen kurzen schwarzen Rock
und ein enganliegendes T-Shirt. Ihr langes, strähniges, dunkles
Haar war zerzaust und ungekämmt.
Laurie leistete keinen Widerstand, als Opal nach ihrer Hand
griff und sie quer durch das Zimmer zu dem alten
Schaukelstuhl führte, auf dem Bic saß, mit nackten Füßen, die
glänzenden schwarzen Jeans am Bund aufgeknöpft, mit einem
schmutzigen T-Shirt, das seine dichtbehaarten Arme entblößte.
Der goldene Ohrring in seinem Ohr baumelte, als er sich nach
vorn beugte und ihre Hände packte. Er zwang sie, vor ihn zu
treten, wie ein Kind, das die Schule geschwänzt hatte. Er hatte
einen rosa Stoffetzen auf dem Knie, ihren Badeanzug. Das
einzige Licht kam von dem Nachtlicht in der Steckdose am
Boden, das Mama immer eingeschaltet gelassen hatte, weil
Laurie solche Angst vor der Dunkelheit hatte.
Laute Gedanken kreischten in ihrem Kopf.
Eine zornige Stimme, die sie schalt: Kleine Närrin, du
hättest nicht kommen sollen.
Ein weinendes Kind: Zwing mich nicht dazu.
Die Stimme eines Jungen: Lauf weg, lauf weg!
Eine müde Stimme: Es ist Zeit, für all die schlimmen Dinge
zu sterben, die wir getan haben.
»Lee«, seufzte Bic. »Du hast vergessen, was du versprochen
hast, nicht wahr? Du hast mit diesem Arzt über uns geredet.«
»Ja.«
»Weißt du, was mit dir passieren wird?«
»Ja.«
»Was ist mit diesem Huhn passiert?«
»Du hast ihm den Kopf abgeschnitten.«
»Würdest du dich lieber selbst bestrafen?«
»Ja.«
»Braves Mädchen. Siehst du das Messer?«
Er deutete in die Ecke. Sie nickte.
Während sie durchs Zimmer ging, schrieen die Stimmen in
ihr:
Tu’s nicht.
Lauf weg!
Hol es! Tu, was er sagt.
Sie legte die Hand um den Messergriff und kehrte zu ihm
zurück. Sie zuckte zusammen, als sie das Huhn vor ihren
Füßen flattern sah. Jetzt war sie an der Reihe.
Er war so nahe bei ihr. Sein Atem brannte heiß auf ihrem
Gesicht. Sie
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