Dave Duncan
vermutlich richtig, denn Djinns im Speisezimmer oder in den öffentlichen Bädern hätten Aufmerksamkeit und Feindseligkeiten auf sich gezogen. Jeden Abend mietete er einen gewöhnlichen Schlafplatz, kaufte etwas zu essen und hielt sich und seine Leute so weit wie möglich verborgen. Klug, vielleicht – aber die miserablen Lebensbedingungen trugen nicht dazu bei, Inos Verfassung zu verbessern. »Zwei Tage bis Hub«, sagte Azak plötzlich, und sie schreckte zusammen und merkte, daß sie beinahe eingeschlafen war.
Die drei anderen Männer tauschten untereinander Blicke. Dann setzte Char sich steif aufrecht hin. »Majestät…« Der Blick, der ihn traf, brachte ihn zum Schweigen. »Ich bitte um Verzeihung – Master Kar.«
»Besser! Ihr werdet bald anmaßend. Nun, fahrt fort und bringt es hinter Euch!«
Char zuckte zusammen und sah die beiden anderen an, als wolle er sich versichern, daß sie noch bei ihm seien. »Wir haben uns gefragt… warum bleiben wir auf der Hauptverkehrsstraße? Wir würden doch gewiß weniger auffallen, wenn wir –«
»– querfeldein reisen würden. Über die Nebenstraßen und Feldwege?« »Ja… Kar.«.
»Weil Fremde, die nicht auf den vorgegebenen Straßen reisen, selten sind und daher auffallen. Wir würden heimlichtuerisch wirken und uns verdächtig machen. Da es nur an den Hauptverkehrsstraßen Pferdestationen gibt, müßten wir uns eigene Tiere kaufen, und nach einem halben Tag dieser Tortur wären sie tot. Außerdem ist die Zeit knapp, und wir müssen daher die schnellste Route nehmen. Stellt Ihr irgendeinen dieser Punkte in Frage?«
Char schüttelte heftig den Kopf.
Azak streckte sich, und es sah aus, als habe er Schmerzen. »Ihr habt nicht mehr den Verstand, mit dem Ihr geboren wurdet. Jetzt nehmt die Reste des Essens weg, damit sich das Ungeziefer nicht die ganze Nacht darum streitet.« Er wandte sich an Inos. »Geliebte, wünscht Ihr, nach draußen zu gehen?«
»Nein.«
Azaks Augen flogen zurück zu seinen Männern. Alle drei rappelten sich auf und gingen zur Tür; Char trug die Überreste des Essens hinaus. Die Tür schlug hinter ihnen zu. Azak drehte sich um und wandte seiner Frau den Rücken zu. Sogar er bewegte sich wie ein alter Mann.
Inos breitete ihr Bettzeug aus, sie war erschöpft, und alles tat ihr weh. In ihrer Satteltasche grub sie nach ihrem Glas mit elfischer Salbe. Sie versuchte verzweifelt, nicht laut zu schreien, als sie ihre Kleider auszog, ihre Hautabschürfungen einrieb und gleichzeitig sanft die schmerzenden Muskeln massierte. Viele ihrer Blasen hatten geblutet, und selbst die sauberen Stellen waren grün und blau. Sie erledigte diese Prozedur jeden Abend, und Azak wandte ihr stets den Rücken zu. Das konnte eine höfliche Geste sein – um ihretwillen –, doch wahrscheinlicher war, daß er sich den quälenden Anblick von Schönheit ersparen wollte, die er nicht besitzen konnte. In diesem Falle hatte er keine Ahnung, wie wenig Liebreiz er im Augenblick verpaßte.
Noch nie im Leben hatte sie sich so sehr ein Bad und frische Kleider gewünscht. Sie fragte sich, ob es einen Gott der Unterwürfigkeit gab, der vielleicht auf einen reumütigen Krüppel hörte. Sie sollte wirklich ins Badehaus gehen, aber Azak würde darauf bestehen, sie zu begleiten, und ein Djinn in dieser Einrichtung hätte sehr wohl einen Lynchmord provozieren können. Sie versprach sich selbst, es morgen zu tun.
»Azak?« fragte sie, während sie sich einrieb.
»Meine Liebe?«
»Wo werden wir in Hub hingehen? Ihr könnt kaum erwarten, daß wir einfach zum Roten Palast marschieren und uns vom Hexenmeister zu einer Tasse Tee einladen lassen können. So etwas braucht Zeit.«
»Irgendein unauffälliges Gasthaus.«
»Ich habe Freunde und Verwandte in Hub. Senator Epoxague ist ein entfernter –«
»Nein.«
»Kade hat immer voller Hochachtung von seiner Tochter gesprochen und –«
»Nein!«
Sinnlos, mit einem Ochsen zu streiten. Ihr Kopf war schwer wie Stein, sie konnte ihre beiden Augen kaum dazu bringen, in dieselbe Richtung zu blicken. Vielleicht würde sie am Morgen versuchen, ihn zur Vernunft zu bringen. Sie verdrehte sich in eine noch unbequemere Stellung, um auch die schwierigen Stellen zu erreichen.
»Inos, ich möchte Euer Ehrenwort«, sagte Azak.
Er hatte sich umgedreht und betrachtete sie, aber sie war zu erschöpft, um ‘«erlegen zu werden. Außerdem war er ihr Ehemann und hatte das Recht, sie anzusehen. Und ihr armes Gehirn schien nicht in der Lage, seine Worte
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