Dave Duncan
es vor, die Wächter nicht mehr als nötig auf sich aufmerksam zu machen. Vermutlich hatten sie alle ohnehin ein paar Jünger beauftragt, ihn die ganze Zeit zu beobachten.
Einmal glaubte er zu spüren, wie Inos ihn suchte, und er schleuderte ihr eine Warnung entgegen. »Geh weg!«
»Rap?«
»Ja, aber ich bin immer noch zu nahe!« Er erhaschte ihr schwaches Bild in der Nebenwelt, ein Echo, einen Duft. Am ganzen Körper brach ihm der Schweiß aus, und er zitterte vor schierem Verlangen. Würde er anders empfinden, wenn er das andere Ende der Erde erreicht hatte? In der Nebenwelt wäre sie dann immer noch genauso sichtbar, genauso nahe. Wie konnte er jemals entkommen?
»Ich wollte nur sagen, daß ich dich liebe!«
»Ebenso! Jetzt, bitte, Inos! Geh!«
»In Ordnung.« Da waren wieder Tränen in ihren Augen. »Und jetzt weiß ich, was du getan hast und warum. Danke, Rap!«
Sein Herz zog sich zusammen. »Du willigst ein? Ist es das, was du willst?«
»Oh, ja!« Sie schluckte ein Schluchzen hinunter. »Auf Wiedersehen, Rap!«
Dann war sie verschwunden, und er konnte sich wieder entspannen.
Beinahe. Er hatte weiterhin Visionen von Inos, die sich in die Flammen stürzte, um ihn zu retten – die verrückte, impulsive Inos. Und dann erinnerte er sich immer wieder an Rashas furchteinflößende einsame Opferung und ihr letztes verzweifelte Heulen, das an Azak gerichtet war: Liebe!
Ein Zauberer konnte heiraten, aber nur eine Normalsterbliche. Ein Magier konnte ein Genie lieben oder ein Geweihter eine Geweihte. Vier Worte waren die Grenze. Nur Sterbliche, die über eine außergewöhnliche Kontrolle über die Macht verfügten, wurden von fünf Worten nicht zerstört.
Aber zwei Menschen und fünf Worte der Macht plus die Liebe… Er verbannte das schreckliche Rezept aus seinem Kopf und ritt weiter.
Er beschloß, unterwegs Death Bird aufzusuchen. Der Kobold war, wie er es vorhergesehen hatte, inzwischen Häuptling des Raven Totem. Er hatte seinen Vater herausgefordert und die darauf folgende Abstimmung der Jäger gewonnen. Dann hatte er alle enttäuscht, indem er den alten Mann am Leben ließ anstatt ihn zu seinem Vergnügen umzubringen. Das war der erste Schritt seiner Revolution gewesen, und auf seine Weise machte es Little Chicken genauso gut wie Inos.
Danach…
Rap wußte nicht, was danach kam. Endloses Herumirren? Noch mehr gute Taten hier und dort – winzige, vergebliche Versuche, die grausame Welt ein wenig freundlicher zu machen? Er hatte sein Versprechen, nach Krasnegar zurückzukehren, gehalten. Jetzt erkannte er, daß dieses Versprechen das ganze vergangene Jahr wie eine Laterne in der Dunkelheit geleuchtet hatte. Jetzt sah er kein Licht mehr.
Es hatte seine Schmerzen ein wenig gelindert, daß er weitere Worte mit Inos geteilt hatte, doch waren sie immer noch da, und seine Sehnsucht nach ihr war stärker als zuvor. Wie lange würde es dauern, bis er so wahnsinnig war wie Kalkor oder Bright Water?
Er war ein Narr. Er war ein Narr gewesen, den Imperator zu heilen. Er war ein Narr gewesen, Zinixo in der Rundhalle zu verschonen. Und er war ein noch größerer Narr gewesen, Inos zur Zauberin zu machen, denn jetzt trennte sie ein einziges Wort, und sie war in großer Gefahr. Überall, jederzeit –nur eine winzige Ablenkung, und er könnte sich selbst flüsternd an ihrer Seite wiederfinden.
Wohin konnte er also gehen, was konnte er tun? Macht? Auch falls seine Worte geschwächt worden waren, mit fünfen war er immer noch ein alles überragender Zauberer. Er konnte alles tun, was er wollte. Reichtum? Frauen? Er konnte alle Frauen auf der Welt haben, in ungezählten Mengen, konnte dafür sorgen, daß Andor wie ein Asket dastand. Die einzige, die er wollte, konnte er nicht haben.
Niemals würde eine weltliche Gefahr ihn bedrohen können, oder eine Zauberei, denn die Vier hatten offensichtlich beschlossen, ihn in Ruhe zu lassen. Er konnte sich nur auf viele leere Jahrhunderte freuen, bis er älter war als Bright Water.
Vor Mittag ritt er durch ein schmales Tal, das einem trockenen Flußlauf folgte, zu dessen Seiten verdorrte braune Hänge in graubraune Hügel übergingen. Pferd und Hund waren durstig, und er war hungrig. Er beschloß, eine Pause zu machen und ein wenig Wasser und Essen herbeizuzaubern.
Bevor er zur Tat schreiten konnte, spürte er plötzlich eine unheimliche Gegenwart. Er brachte Firedragon mit einem mentalen Befehl zum Stehen und sah sich unbehaglich um. Die Vorahnung brannte noch
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