David Trevellyan 01 - Ohne Reue
Mitte des Tisches mit dem Rücken zum Sofa stand. Ich selbst setzte mich gegenüber auf den gelben Stuhl, sodass er nur mich und die kahle Wand ansehen konnte.
» Denken Sie mal einen Augenblick nach«, forderte ich ihn auf. » Sie haben heute Morgen ein paar Fehler gemacht. Entscheidende Fehler. Jetzt haben Sie die Wahl: Entweder Sie korrigieren sie oder Sie zahlen den Preis dafür. Und es ist nur fair, Sie zu warnen, dass der Preis ziemlich hoch sein wird.«
» Wie soll ich sie korrigieren?«
» Sagen Sie mir die Wahrheit.«
» Das habe ich.«
Ich nahm die Fotos, zog das mit den Organcontainern heraus und legte es auf den Tisch.
» Und warum mussten Sie schlucken, als Sie das gesehen haben?«, fragte ich.
» Habe ich doch gar nicht. Ich habe nur einen Moment gebraucht, um es zu erkennen«, erklärte er.
» Ich werde Ihnen noch eine Frage stellen. Vor Tungsten waren Sie in der Armee?«
» Ja.«
» Eine Spezialeinheit?«
» Nein.«
» Luftwaffe?«
» Nein.«
» Infanterie?«
» Nein, warum?«
» Weil ich das Gefühl habe, dass Sie nicht gerade ein kämpferischer Soldat sind. Nicht viel Kampferfahrung, stimmt’s?«
» Moderne Armeen stehen und fallen mit der Organisation. Das sollten Sie nicht unterschätzen.«
» Tue ich nicht. Ich denke nur an die Männer da unten. Haben Sie das Gesicht des einen gesehen? Oder den Hinterkopf des anderen? Und jetzt sehen Sie sich die hier an.«
Ich hielt erst die Handflächen, dann die Handrücken hoch.
» Wenn ich den beiden so etwas antun konnte, ohne einen einzigen Kratzer abzubekommen, was glauben Sie, was mit Ihnen passiert, wenn Sie mir nicht geben, was ich will?«
Taylor betrachtete die Tischplatte. Aber dort gab es nichts, zu sehen, außer seinem eigenen Spiegelbild, und das bot nur wenig Trost.
» Also, Sie haben die Wahl. Entweder Sie reden mit mir über das hier«, ich tippte auf das Foto, » oder Sie enden in dem da.«
Bei diesen Worten öffnete ich die Leinentasche und zog den Leichensack heraus. Ich hielt ihn hoch, damit er ihn sehen konnte, und rollte ihn dann über den Tisch hinweg aus, sodass der letzte halbe Meter über die andere Tischkante bis auf seinen Schoß herabhing.
» Das haben Ihre Kumpel für mich mitgebracht«, meinte ich. » Hat aber wohl eher Ihre Größe.«
Taylor schwieg, wie hypnotisiert von dem schwarzen Gummistreifen, als wäre er ein riesiger Tentakel, der nach ihm greifen wollte. Schließlich riss er sich los, schob das Ende auf den Tisch und griff nach dem Foto.
» Darin waren Organe, die für eine Transplantation bestimmt waren«, erklärte er. » Aber wir haben sie nicht reingebracht.«
» Wer dann?«
» Niemand. Wir brachten sie raus.«
» Raus? Wohin denn? In die USA?«
» Offensichtlich.«
» In Ihrem Büro haben Sie davon gesprochen, dass Sie ein Unternehmer mit Prinzipien sind, dass Sie den Menschen etwas zurückgeben wollen. Aber im Grunde genommen sind Sie nur ein Organschmuggler!«
» Verschonen Sie mich mit Ihrer Schlagzeilen-Moral. Ja, wir machen Geld. Ja, was wir tun, ist streng genommen illegal. Aber wir retten damit Menschenleben, und das ist gut genug für mich.«
» Sie retten Leben? Wachen Sie auf, Taylor. Sie stehlen Menschen ihre Organe!«
» Wir stehlen sie nicht.«
» Dann kaufen Sie sie eben. Von wem? Für wie viel? Was passiert, wenn sie Nein sagen?«
» Wir kaufen sie nicht.«
» Was tun Sie dann? Stellen Sie sie her?«
» Sie haben keine Ahnung, wie es in diesem Land zugeht. So bizarr es auch klingen mag, die Organe liegen da buchstäblich auf der Straße. Hier sterben die Menschen, weil es nicht genug Organe gibt. Also verbinden wir beides. Niemand verliert, aber unschuldige Amerikaner gewinnen.«
» Was gewinnen sie? Die Körperteile eines anderen? Dem nichts anderes übrig blieb, als zu spenden?«
» Sie bleiben am Leben. Und dafür muss ich mich nicht entschuldigen.«
» Diese Organe, die auf der Straße liegen, befinden sich nicht zufällig noch in den Körpern von Menschen?«
» Sie sind ein Arschloch. So funktioniert das eben. Wir schützen nicht nur das Krankenhaus, wir stellen auch die Chirurgen und Ärzte. Kostenlos. Die Patrouillen sammeln die Opfer ein, und unsere Leute retten so viele wie möglich.«
» Und die anderen nehmen Sie auseinander? Auf der Suche nach Ersatzteilen?«
» Seien Sie realistisch. Man kann nicht alle retten.«
» Also bedienen Sie sich bei denen, die Pech hatten. Wie die Geier.«
» Was würden Sie denn tun? Die Organe verrotten lassen?
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