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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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wanderten zu ihrem anderen Kind, der reservierten, eigenwilligen älteren Tochter, die in ihrer resoluten Art ein ständiger Vorwurf für Eltern und Schwester war. Unscheinbar als Kind, war sie allen Liebesbeziehungen ausgewichen. Als Teenager war sie still und grüblerisch geblieben, was bei den Erwachsenen immer ein gewisses Unbehagen ausgelöst hatte. Dann war sie zu der verständigen Tochter mit Spitznamen Davy herangewachsen, als der Sohn geboren wurde; aber der Spitzname war ihr geblieben. Es war unvorstellbar, Davina mit irgend etwas Geheimnisvollem in Verbindung zu bringen. Es schien lächerlich, daß irgendeine Beziehung zwischen ihr und dem Tod eines russischen Handelsdelegierten bestehen sollte. Hinzu kam der geheimnisvolle Schleier, der über James Whites tatsächlicher Funktion im Ministerium lag. Sie versuchte erst gar nicht, die Angst von sich abzuschütteln, die in ihr aufgekommen war, als sie Charley zuhörte und das Foto eines Mannes betrachtete, der sich quicklebendig in ihrem Haus aufgehalten hatte, während er angeblich schon vor Monaten gestorben sein sollte. Sie kam einfach nicht dagegen an, denn das letzte Mal, als sie eine solche dunkle Vorahnung empfunden hatte, war ihr Sohn kurz danach ums Leben gekommen.
    »Sie werden sich freuen, wenn ich Ihnen sage, daß wir in Moskau alles vorbereitet haben und daß Miss Graham mit ihrem Begleiter unterwegs ist.«
    Der Brigadier war mit Sasonow vor den anderen ins Konferenzzimmer gegangen. Sie hatten zusammen mit Grant zu Mittag gegessen, und ihre Unterhaltung war über das Niveau bloßer Konversation nicht hinausgelangt. Sie redeten vom Wetter und von den Golferfolgen des Brigadiers am Wochenende. Sasonow hörte der Schilderung des Spiels zu, ohne seine Langeweile zu verbergen. Schweigend und mit steinernem Gesicht, denn er hatte keine Lust, sich in das leichte Wortgeplänkel der beiden Engländer hineinziehen zu lassen. Als James White mit dem Russen allein war, kam er sofort zur Sache. Sasonow hob gespannt den Kopf. Er erinnerte den Brigadier an ein großes, wildes Tier, das Gefahr witterte.
    »Wie geht es meiner Tochter? Und meiner Frau?«
    »Ihrer Tochter geht es gut; sie setzt ihr Studium an der Universität fort«, sagte der Brigadier. »Von Ihrer Frau wissen wir nichts Neues. Wir versuchen noch immer, in Kontakt mit ihr zu treten.«
    »Sie werden Fedja ins Gulag schicken«, sagte Sasonow.
    Er begann, auf und ab zu gehen.
    »Sie wird bei den dortigen Verhältnissen nicht lange am Leben bleiben. Meine Frau ist ein Stadtmensch. Man wird sie langsam umbringen, mit Schwerarbeit und zu wenig Essen. Und dann noch die Kälte.«
    Er sah James White an.
    »Sie in Ihrem kleinen Land wissen gar nicht, was dieses Wort bedeutet. Es ist eine Kälte, die einem das Gehirn gefrieren läßt, die einen nachts vor Schmerzen aufweckt. Es ist eine Art von Tortur, die nie aufhört. Hunger und Schwäche und immer diese bittere Kälte – sie fressen sich in den Körper wie hungrige Tiere. Meine Frau wird sterben«, sagte er.
    »Wir werden sie austauschen lassen«, sagte James White. »Zunächst wollen wir ihre Tochter herüberbringen. Und das scheint aussichtsreich zu sein.«
    Sasonow drehte sich abrupt herum. »Sie haben niemanden, den Sie für meine Frau anbieten könnten!« rief er. »Sie haben keinen Agenten von ausreichender Bedeutung. Alle, die bei Ihnen im Gefängnis sitzen, sind für uns entbehrlich. Wir würden Ihnen kein Angebot machen, um diese Leute zu bekommen!«
    »Warum setzen wir uns nicht«, sagte James White. »Wir haben noch ein paar Minuten Zeit, bevor die Besprechung anfängt. Beruhigen Sie sich, Oberst. Ich habe lange über die Frage des Austausches und Ihre Frau nachgedacht. Sie haben selbstverständlich recht. Wir haben keinen Lonsdale oder einen Kröger. Und die Amerikaner werden uns bestimmt nicht eines ihrer Faustpfänder zur Verfügung stellen, damit wir Ihre Frau freibekommen. Wir haben darauf bestanden, Sie allein für uns zu behalten. Das war Teil unserer Abmachung: Sie bleiben hier.«
    »Aber Sie geben meine Informationen weiter«, wandte Sasonow ein.
    »Gewiß, aber befragen tun wir Sie allein. Den Amerikanern gefällt das nicht. Aber ich halte mein Wort, Oberst.«
    Sasonow senkte den Kopf, als wollte er zum Angriff übergehen. James White mußte wieder an den Vergleich mit einem wilden Tier denken.
    »Vina ist jetzt auch in Gefahr«, sagte Sasonow. »Und einer unserer Agenten ist hier eingeschleust worden.«
    »Wie kommen Sie darauf?«

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