Davina
beim Mokka, und sie zog Cointreau dem Brandy vor, als er das Gespräch auf ihre Schwester und den Polen brachte, die sie über das Wochenende bei ihren Eltern getroffen hatte.
»Es ist erstaunlich«, begann er, »wie verschieden Sie und Ihre Schwester Davina sind – nicht nur äußerlich, das liegt auf der Hand, sondern auch als Menschen.«
»Schneide ich gut dabei ab?« fragte sie. »Hoffentlich spricht der Vergleich nicht gegen mich!«
»Ganz im Gegenteil«, sagte er, »sie ist ein eher abweisender Typ – sehr kühl, fand ich. Man hält sehr viel von ihr, wissen Sie. Sie ist außerordentlich tüchtig. Ich glaube nicht, daß sie von ihrem ehemaligen Ehemann als einem ›Fehler‹ sprechen würde.« Sie lachten beide.
»Nein, das arme Kind, das würde sie bestimmt nicht tun«, pflichtete ihm Charley bei. »Aber sie war ja auch nicht verheiratet. Und das, fürchte ich, war wohl meine Schuld.«
»So? Warum?« Sie zog eine kleine Grimasse. Ihm schien, daß sie nun wirklich verlegen war.
»Ihr Verlobter verliebte sich in mich«, sagte sie schließlich. »Ich habe ihn wirklich nicht dazu ermuntert, aber er wollte mich einfach nicht in Frieden lassen. Ich habe ihn auch nicht heiraten wollen, aber er hat mich dazu überredet. Das hat mir Davina nie verziehen. Ich kann ihr das auch nicht übel nehmen.«
»Da gebe ich Ihnen recht«, räumte Jeremy ein. Er hoffte, daß sie ihm sein Erstaunen nicht angemerkt hatte. »Aber Sie waren zweimal verheiratet?«
»Richard – so hieß Davinas Verlobter – Richard und ich ließen uns nach zwei Jahren scheiden. Er fing zu trinken an, und sein Geschäft ging bankrott. Wir stritten uns unablässig. Es war furchtbar. Ich glaube, er wußte, daß er einen Fehler begangen hatte, als er sie verließ und mich heiratete. Ich hoffte, er würde zu ihr zurückkehren, aber das tat er nicht. Dieser Cointreau ist gut. Sie hat sich danach nie wieder was aus Männern gemacht. Mein Vater behauptet, sie habe den Männern absichtlich den Rücken gekehrt und alles darangesetzt, in ihrem Beruf voranzukommen. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, daß eine Tätigkeit als Sekretärin besonders aufregend sein kann. Selbst wenn der Chef James White heißt. Jedenfalls liegt das alles Jahre zurück, und wir sind uns seither aus dem Wege gegangen. Sie kam nicht zu meiner zweiten Hochzeit. Dann tauchte sie plötzlich an jenem Wochenende zusammen mit diesem gutaussehenden Mann wieder zu Hause auf.«
»Erzählen Sie mir von ihm«, sagte Jeremy. »Hat er sich nicht auch für Sie interessiert?«
Sie riß ihre großen Augen mit einem Unschuldslächeln weit auf, aber ihr Kichern strafte sie Lügen.
»Nein, zum Teufel, ganz und gar nicht! Er hat mir gut gefallen. Er war so ganz anders als die Männer, denen ich gewöhnlich begegne. Schrecklich robust und überwältigend männlich. Sie wissen, was ich meine – der slawische Typ.«
»Ja«, sagte er, »ich glaube, ich kann ihn mir vorstellen. Blonde Haare und blaue Augen. Goldzähne?«
»Nein, keineswegs. Angegraute Haare und merkwürdig gefärbte Augen, aber bestimmt keine blauen. Und seine Zähne waren völlig in Ordnung.«
Jeremy tat so, als wolle er sie necken. »Also klein und gedrungen?«
»Größer als Sie«, antwortete sie, »und viel kräftiger.«
»Das klingt so, als sähe er aus wie einer dieser russischen Schurken, die in langen Mänteln und Filzhut in TV-Thrillern vorkommen.«
Er ging nicht weiter auf den Polen ein, bot ihr eine Zigarette an und bestellte sich selbst einen zweiten Brandy. Sie trank sehr wenig, was ihm gefiel. Er hasste Frauen, die versuchten, mit Männern gleichzuziehen oder sogar noch mehr als diese zu trinken. Im Herzen war er, wie er zugeben mußte, in dieser Hinsicht eher prüde.
»Und glauben Sie, daß sich Ihre Schwester mit dem Polen eingelassen hat?«
Charley runzelte leicht die Stirn. Über Davina zu reden, war ihr jetzt viel weniger peinlich als früher. Es half ihr, einem Fremden gegenüber ein Geständnis abzulegen. Und dieser wortgewandte Mann würde für sie nie etwas anderes sein.
»Ich glaube, ja«, sagte sie. »Meine Eltern glaubten es nicht. Meine Mutter schien es wohl zu hoffen; sie leidet darunter, daß Davina vielleicht keinen Mann findet. Es ist wirklich lieb von ihr, aber sehr altmodisch. Man sollte meinen, daß meine beiden Ehen ihr gereicht hätten. Sie glaubte jedenfalls nicht, daß zwischen den beiden mehr als Freundschaft bestand. Ich war anderer Meinung. Und ich kenne mich gut aus, wenn
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