Davina
ihr Vater, »sie läßt leider viel zu selten von sich hören. Also dann bist Freitag abend. Kommst du per Auto oder mit der Bahn? Ich kann dich abholen.«
»Ich fahre mit dem Wagen«, sagte sie. »Ich bin rechtzeitig zu einem gemütlichen Drink bei euch. Wiedersehen, Daddy.«
Captain Graham eilte in den Garten. Seine Frau kniete, Unkraut jätend, vor einem Rosenbeet, wo gerade die ersten Knospen aufbrechen wollten. Sie war so in ihre Arbeit vertieft, daß sie ihn nicht hatte rufen hören. Mit Hilfe einer kleinen Schaufel zog sie das Unkraut mit der Wurzel aus dem Boden und sprach dabei leise mit ihren Blumen.
»Da! Endlich haben wir das böse Ding heraus – du liebe Güte, was für eine lange Wurzel! Und du da – du brauchst, glaube ich, einen gehörigen Schluck Wasser!«
Sie hob den Kopf, als er sie von nahem rief.
»Liebling, Charley hat gerade angerufen. Sie kommt am Freitag.«
»Ach, wie schön! Da freue ich mich aber«, rief sie zurück. Ihr Mann wirkte so angeregt, daß sie lächeln mußte. Er betete seine jüngere Tochter wirklich an. Eifersucht war Mrs. Graham fremd. Sie freute sich, daß ihr Mann so glücklich war, während er mit federnden Schritten über den Gartenpfad ins Haus zurückging.
Davina hatte nichts von sich hören lassen, seit sie mit dem polnischen Diplomaten hier gewesen war – und das lag jetzt schon fast zwei Monate zurück. Damals hatten die Osterglocken in voller Blüte gestanden. Mrs. Graham merkte sich Zeiten nach der Blumenblüte in ihrem Garten. Jetzt fingen die Rosen zu blühen an, also war es Juni. Die volle Pracht ihrer Staudenrabatten leuchtete von Juli bis August. Sie freute sich auf Charley; vielleicht würde sie eines Tages doch noch den richtigen Mann finden und eine Familie gründen. Bei Davina brauchte sie auf Enkelkinder wohl nicht zu hoffen. Sie machte sich wieder ans Jäten und setzte ihre kleine Zwiesprache mit den Blumen fort.
Charley Ransom legte den Hörer auf und stieß befriedigt einen kleinen Seufzer aus. Es war wirklich schön, einfach anzurufen und nach Hause fahren zu können, wenn sie sich niedergeschlagen fühlte. Ihre Eltern waren liebe Menschen, denn sie konnten ihr nie etwas abschlagen. Es war herrlich, so geliebt zu werden. Das sagte sie sich immer wieder, aber besonders dann, wenn sie sich langweilte oder einsam fühlte, was gelegentlich vorkam. Dieser Fall war erst vor kurzem eingetreten, als ihre lange Affäre mit dem theaterbesessenen Mann zu Ende ging und sie keine Ablenkungen mehr hatte, außer ganz kurzfristigen Einladungen von Jeremy Spencer-Barr. Jedes Mal, wenn sie mit ihm ausging, nahm sie sich fest vor, es nicht wieder zu tun. Er war charmant und konnte sehr interessant sein, aber sein Verhalten ihr gegenüber hatte etwas Unpersönliches. Er machte ihr nie Komplimente über ihr Aussehen, er schickte auch nie Blumen oder rief an, es sei denn, er wollte sie ausführen.
Er tat ihr nicht gut. Er verunsicherte sie, und es gab zur Zeit keinen anderen Mann in ihrem Leben, der ihr gesagt hätte, wie hübsch und wie unwiderstehlich sie sei. Außerdem wurde ihr geschiedener Mann zunehmend schwieriger hinsichtlich seines Anteils an ihrer teuren Etagenwohnung. Sie mußte einfach für ein paar Tage nach Marchwood fahren und den Schutz des elterlichen Hauses aufsuchen … Und da war noch etwas, was sie ärgerte: wieder war es Jeremy Spencer-Barr. Nicht nur seine offensichtliche Gleichgültigkeit ihr gegenüber, sondern sein ständiges und unerklärliches Interesse an ihrer Schwester Davina. Sie hatte einige Zeit darüber nachgedacht und sich gefragt, warum ihr dabei irgendwie unbehaglich zumute war. Zunächst war sie nur irritiert gewesen, hatte sich dann aber gedacht, er erkundigte sich nach ihrer Schwester nur aus beruflicher Eifersucht. Charley wollte sich nicht dazu hergeben, Davina in ihrer Karriere zu schaden, so eintönig diese auch zu sein schien. Schließlich hatte sie ja nichts anderes. An diesem Punkt angelangt, hörte Charley auf, sich Gedanken über ihre Schwester zu machen. Die Auflösung der Verlobung lag schon so lange zurück. Jede normale Frau wäre darüber längst zur Tagesordnung übergegangen. Wie ihr Vater gesagt hatte – sie wollte unbedingt eine alte Jungfer werden. Aber sie freute sich darauf, mit ihrem Vater sprechen zu können und sich die Gewissheit zu verschaffen, daß Jeremy ihre Schwester nicht in irgendwelche Schwierigkeiten bringen wollte.
Ein öder Abend ohne Verabredung stand ihr bevor. Sie begriff nie,
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