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"Davon haben wir nichts gewusst!"

"Davon haben wir nichts gewusst!"

Titel: "Davon haben wir nichts gewusst!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Longerich
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Zeitungen bei der Behandlung des bolschewistischen Themas immer noch der Täuschung, als ob Kapitalismus und Bolschewismus zwei verschiedene, sich feindlich gegenüberstehende Anschauungen seien. Insbesondere wird immer wieder den kommunistischen Agitationen dadurch Vorschub geleistet, dass bolschewistische Äußerungen ernst genommen werden, als ob der Bolschewismus den Kapitalismus vernichten wolle, während sich doch in Wirklichkeit diese beiden jüdischen Systeme einander in die Hände arbeiten […]. Schriftleiter, die gegen diese Tagesparole verstoßen, werden persönlich zur Verantwortung gezogen.«
    Das wirkte. In der zweiten Jahreshälfte konnte man in der Parteipresse immer wieder lesen, die USA würden nach dem Krieg – selbstverständlich im Auftrag »der Juden« – versuchen, die »Weltregierung« zu übernehmen. 106 Sie würden die britische Machtposition endgültig zerstören, Großbritannien marginalisieren 107 und im Nahen Osten eigene Kolonien in Besitz nehmen. 108 Der amerikanische Finanzminister Morgenthau halte schon »goldene Handschellen« für die übrigen Völker bereit. 109 Dass die Rechte der nordafrikanischen Juden wiederhergestellt wurden, galt ebenso als Beweis für die Existenz der »jüdischen Weltverschwörung« 110 wie der angeblich maßgebliche Einfluss jüdischer Kräfte im vom Faschismus befreiten Italien. 111
    Das Thema jüdisch-amerikanischer Imperialismus wurde auf unterschiedlichste Weise variiert: Der Angriff vom 18. Januar 1944 griff eine britische Meldung aus Jerusalem auf, wonach Teams aus jüdischen Fachleuten im Gefolge anglo-amerikanischer Truppen nach Europa entsandt werden sollten, und kommentierte: »Worin die Aufgabe dieser jüdischen Aasgeier bestehen soll, ist nach den Erfahrungen in Süditalien klar: Die jüdischen ›Sachverständigen‹ würden sich bei einem Gelingen der plutokratischen Pläne ›liebend‹ gern der europäischen Kultur- und Vermögenswerte annehmen und sie rücksichtslos verschieben.« 112 Die Ernennung des Bankiers und früheren Gouverneurs von New York, Herbert H. Lehmann, zum Direktor der United Nations Relief and Rehabilitation Administration, der alliierten Hilfsorganisation für Kriegsflüchtlinge, bedeutete nach Ansicht des Völkischen Beobachters vom 13. November 1943, der »Bankjude« sei zum«Sklavenhalter für Europa« ausersehen.
    Gelegentlich wurde – wie vom Propagandaministerium im August eingefordert – mit Hilfe des antisemitischen Leitthemas der Gleichklang der Interessen zwischen der Sowjetunion und den Westalliierten betont: Sowjetische Forderungen, nach Kriegsende deutsche Zwangsarbeiter zu rekrutieren, und amerikanische Stimmen, die eine Schwächung der industriellen Basis Deutschlands verlangten, deuteten vermeintlich auf eine »einheitliche jüdische Regie hinter den Vernichtungsplänen«. 113 Insgesamt gesehen überwog jedoch in diesem Zeitraum die Propaganda gegen den von einflussreichen jüdischen Kreisen »gesteuerten« amerikanischen Imperialismus.
    Daneben registrierte die Presse die antijüdischen Maßnahmen der Verbündeten, etwa die im Juni 1943 von der bulgarischen Regierung verfügte Ausweisung der Juden aus der Hauptstadt Sofia, 114 die »Arisierung« in Rumänien, 115 die antisemitischen Maßnahmen der ungarischen Regierung, 116 die Einführung einer Meldepflicht für die Juden in Griechenland 117 sowie die Verfügung der faschistischen Regierung Italiens vom Dezember 1943 über die Inhaftierung aller Juden in Konzentrationslagern. 118 Die »Maßnahmen gegen die Juden in Dänemark«, also die beabsichtigte Deportation, waren laut Anweisung des Propagandaministeriums vom 2. Oktober indes »vorerst nicht aufzugreifen«. 119
    Obwohl sich während der Katyn-Kampagne gezeigt hatte, dass sich die antisemitische »Kraft durch Furcht«-Propaganda für das Regime nicht ausgezahlt hatte, finden sich auch weiterhin in der Propaganda immer wieder Hinweise auf die im Falle einer deutschen Niederlage drohende »jüdische Vergeltung«. So äußerte etwa der Oldenburger Gauleiter Paul Wegener in einem Zeitungsartikel im August 1943 die Überzeugung, es gebe »keinen in der Partei, der nicht nüchtern erkannt hat, dass bei einem Sieg der Plutokratie er und seine Kameraden die ersten sein werden, die von den jüdischen Scharfrichtern liquidiert werden. Als wir den nationalsozialistischen Eid leisteten, haben wir die Brücke hinter uns abgebrochen. Die Brücken sind hinter dem ganzen deutschen Volk abgebrochen.« 120
    An

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