Daylight oder wie der Tag zur Nacht wird
ihr so kalt, wie ein frostiger Morgen. Schon seit längerer Zeit hatte sie ihr Herz nicht mehr schlagen gehört. Aber Tess konnte diese Zeichen nicht deuten.
Die Schmerzen wurden leichter und das Mädchen hegte die Hoffnung, sie könnten ganz verebben. Tess konzentrierte sich auf ihre Umgebung.
Dunkel und feucht war der Keller. Es tropfte von der Decke und Schimmel breitete sich in den Ecken aus. Es stank mächtig nach verfaulten Eiern. Wer hatte hier wohl gehaust.
Bestimmt irgendein Penner. Dieser Gedanke behagte ihr nicht, da sie schon immer angst vor solchen unheimlichen Gestalten hatte. Wie es schien war diese nicht verschwunden, da ihr Magen sich verkrampfte, als sie zur nassen, verschimmelten Decke blickte.
Etwas stupste sie sanft an die rechte Schulter. Langsam drehte Tess den Kopf und schreckte zurück. Zwei neugierige rote Augen funkelten sie an. Ratte!
"Geh weg!"
Die Ratte schnupperte weiter an ihr. Das kitzelte.
"Verschwinde!"
Tess bewegte sich, um das Tier zu verscheuchen. Es fauchte kurz, drehte sich um und lief davon. Na endlich.
Ratten sind so ekelig , dachte das Mädchen.
Mit vorsichtigen Bewegungen strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht. Kalt war ihre Haut. Das Atmen fiel ihr immer schwerer und setzte ab und zu stockend aus.
Warte, es könnte doch auch ohne … .
Sie hielt die Luft an und zwang sich nicht zu keuchen. Erst nachdem sie ihre Panik unterdrückt hatte gelang es ihr.
Die Kälte des Fußbodens und die dicke Luft im Keller machten ihr Leid nicht besser. Schwankend stand sie auf. Sie tat ein paar Schritte und musste sich nebenbei an der dreckigen Wand abstützen.
Erneut bekam sie Krämpfe. Jedoch nicht um ihr Herz, sondern im Magen. Tess hätte nicht gedacht, dass sie in ihrer Situation die primitivsten Schmerzen spüren konnte. Das Mädchen hatte nur furchtbaren Hunger und alleine bei dem Gedanken an einen Burger oder an ein einfaches Müsli wurde ihr übel.
Tess taumelte zum Ausgang. Eine steile Treppe führte nach oben in die tiefe Nacht.
Sie lauschte.
Zuerst hörte sie nur das Trippeln der Ratten in den Kanälen und Wasser, das auf Steinboden tropfte. Doch je mehr sie sich auf diesen einen Sinn konzentrierte, desto weiter konnte sie hören.
Plötzlich hörte sie genau das, was sie brauchte. Das Pochen eines Herzens und das Rauschen vielen Blutes.
Es war eine menschliche Gestalt. Das Scheppern und Wühlen in einer Mülltonne hallte in ihren Ohren. Angst schoss ihr durch die Glieder.
Ein Junkie? Ein Verbrecher?
Sie musste über die Ironie schwach lächeln. Wenn man vom Teufel sprach. Aber der Spaß wurde von der Angst verdrängt, die ihr schon seit langer Zeit in den Knochen lag. Was war wenn er hier herunterkam? Schweiß brach auf ihrer Stirn aus. Dann das Pochen. Das Herz. Die Angst verschwand schlagartig. Hunger kam.
Noch gestern wäre ihr von ein bisschen Blut schlecht geworden. Jetzt war sich Theresa sicher. Sie war eine Vampirin. Tess wusste nicht, ob sie entsetzt, wütend oder geschockt sein sollte.
Verwirrt. Genau das war sie. Sie mochte Vampire. Zumindest in Büchern und sie fand es traurig, dass oft diese Fabelwesen zum Bösen gemacht wurden. Aber dass es so etwas in der Realität gab, hätte sie nie gewagt auch nur ansatzweise zu denken. Doch jetzt konnte sie es nicht mehr ändern.
An allem war dieser attraktive junge Mann, Luke, schuld. Verfluchen konnte sie ihn jedoch nicht. Es geschah in der Nacht in der ihre Verwandlung zum ersten Mal begann.
Tess wollte am vorgestrigen Abend zu einer Jugendbar und war die Carolinerstraße entlang gefahren. Als sie plötzlich diesen Jungen zu den alten, verlassenen Schiffscontainern hinüberwandern sah.
Himmlisch sah er aus. Er hatte braunes Haar, das sich um seinen Nacken kräuselte. Kantiges Gesicht, mit einer langen Nase und volle Lippen. Schneeweiß war seine Haut, ohne einen einzigen Mangel.
Theresas Herz hatte ihr bis zum Hals gepocht. Laut hatte es nach einer Gefahr geschrien, doch sie hatte nicht darauf gehört.
Warum auch? Ihr Traummann lief an ihrem Wagen vorbei und sie sollte vor Angst davonfahren? Wer würde dies schon tun?
Tess machte, was wohl jedes abenteuerliebende, jugendliche Mädchen tun würde. Leichtsinnig hielt sie an und sprang aus dem Auto.
Verborgen im Schatten eines Container, war sie ihm gefolgt. Sie versuchte sanft und leise ihre Schritte zu setzten, doch sie kamen ihr wie Trommelschläge vor, während der Junge keinen Laut von sich gab. Auf einmal verschwand er.
Verwundert
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