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Daylight oder wie der Tag zur Nacht wird

Daylight oder wie der Tag zur Nacht wird

Titel: Daylight oder wie der Tag zur Nacht wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Sophie Hoelzlwimmer
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ihm Wind und ihre Beine stießen sich immer wieder leichtfüßig vom Boden ab.
    Zwanzig. Wahnsinn. So schnell war sie noch nie gerannt. Der Boden zischte nur so unter ihr hinweg.
    Zwölf Meter. Er riss seinen Kopf nach hinten und bekam riesengroße Augen. Tess sah jede einzelne Schweißperle auf seiner Stirn. Jetzt nahm er seine letzte Kraft zusammen und gab noch mehr Gas.
    Zehn Meter. Auch Tess legte noch einen Zahn zu.
    Acht. Sie sah das Zittern, das seinen Körper vor Anstrengung überfiel.
    Drei. Die wenigen Schritte überwand sie nach einem Blinzeln mit den Augenlidern. Anschließend brauste sie an ihm vorbei und versperrte ihm den Weg. Der Schwung, den er noch hatte, ließ ihn direkt in ihre offenen Arme sausen.
    Er stieß einen spitzen Angstschrei aus und wimmerte sofort wieder los. Er konnte nicht um Hilfe rufen, da in diesem Stadtteil Herumtreiber nicht gerne gesehen wurden und er Angst vor Polizisten hatte, die ihn einsperren würden. Mit solch einem Teufel, wie Tess in dem Moment war, hatte er auch nicht gerechnet.
    "Lass mich los. Ich gehöre nicht in die Hölle. Ich ... Ich habe nichts getan."
    Ängstlich blickte er sie an. Doch Tess grinste nur und er fing an zu keuchen, als er ihre Reißzähne aufblitzen sah.
    "Bitte, lass mich los!"
    Tess packte seinen Arm. Das Spiel nervte und sie platzte gleich vor Ungeduld. Dann biss sie zu. Ihre Zähne drangen leicht durch seine Haut. So als würde sie in einen Apfel beißen. Er fing an zu kreischen. Sei still, dachte Tess nur.
    Er keuchte auf und mit einem Mal war ihm alles gleichgültig.  Das Blut explodierte in ihr. Es schmeckte besser, als irgendein Eis oder Kuchen. Es war metallisch süß und einfach gut. Mit kräftigen Zügen saugte sie ihm das Blut aus den Adern. Es dauerte nicht lange und er konnte sich vor Schwäche nicht mehr halten. Gut so.
    Ihr Hunger war bald gestillt und ihr Verstand kehrte in langsamen Abständen zurück. Verdammt, was tat sie da?
    Wenn sie noch länger trank, würde sie ihn umbringen. Sie wollte niemanden umbringen. Nein, so etwas würde sie nicht zustande bringen. Also ließ sie von ihm ab.
    Tess hatte Angst, dass er erneut los brüllen würde, aber er blieb still und blickte auf irgendeinen Fleck in der Ferne. Der Mann kümmerte sie jetzt nicht mehr. Sie war mit sich zufrieden und ging.
    Die Nachtluft war noch ein Stück kälter geworden und die Sterne waren noch etwas blasser. Wolken verdeckten den Mond und es wurde noch dunkler, als zuvor.
    Doch was tat sie jetzt?
    Tess konnte nicht mehr zur Schule gehen. Soviel stand fest. Bei ihrer Tante konnte sie auch nicht mehr wohnen. Aber wohin sollte sie sich wenden?
    Dann fiel ihr Luke ein. Vielleicht fand sie ihn bei den Containern.
    Naja, bevor sie sich auf der Straße breitmachen musste, ging sie lieber dorthin. Es war ein Anhaltspunkt.
    Tess fing an zu joggen. Dabei war sie schon ungewöhnlich schnell.
    Ich brauche gar kein Auto mehr, dachte sie. Diese stinkende Kisten konnte sie noch nie leiden. Sie liebte die Natur und hasste diese Gegend. Oft hatte sie ihre Tante angefleht aufs Land zu ziehen, doch sie wollte davon nichts hören.
    Pffh. Tess war froh, endlich von dieser alten Frau weg zu sein. Ihre Beziehung mit ihr lief überhaupt nicht gut. Oft zerriss ein Streit die ruhigen Momente. Sie hatte die Nase voll.
    Tess rannte in eine Seitenstraße. Sie wollte nicht an dem Haus ihrer Tante vorbeikommen. Der Wind fegte durch ihr Haar und sie schloss für ein paar Sekunden die Augen. So verließ sie sich völlig auf ihr neues Gespür.
    Die junge Vampirin kam zur Carolinerstraße und sah die Container auch schon von weitem. Sie wurde nervös. Würde sie dort jemanden antreffen? Und wenn dort noch mehr von den Vampiren waren, würde sie akzeptiert werden?
    Sie knetete ihre Hände, als sie vor den riesigen Dingern stand. Ihr Magen zog sich zusammen und sie wischte ihre Strähnen aus dem Gesicht.
    Okay, sie musste Luke finden. Alles musste sie von ihm herausfinden. Sie war neugierig, wie sie mit ihrem neuen Leben umgehen sollte und auf was man alles achten musste. Es war so unerklärlich.
    Tess ging los. Ihr kam es enger auf den Gängen vor, als beim ersten Besuch. Ihre Finger knetete sie noch fester. Sie fühlte sich beobachtet. Rote Augen leuchteten ihr entgegen, obwohl sie gar nicht da waren. Wurde sie verrückt?
    Sie meinte ein Geräusch zu vernehmen und zuckte zusammen. Langsam drehte Tess sich um, doch da war nichts. Schon wieder etwas. Es hörte sich an wie Laute im Wind.

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