Days of Blood and Starlight
Thiago in den Ruinen von Loramendi gefunden hatte.
»Was?«, fragte Ziri, aber im gleichen Moment erreichte sie der winzige menschliche Wirbelwind.
»Ich erzähl’s dir später«, rief Karou, denn Zuzana packte sie bei der Hand und zerrte sie mit einem flüchtigen Hallo in Ziris Richtung mit sich davon.
Er ließ sein Frühstück unangerührt auf dem Tisch stehen und trat auf den Hof hinaus. Was wollte sie ihm wohl erzählen? Noch immer konnte er ihre Berührung auf seiner Hand spüren.
Einmal, als er noch ein Junge war und sie Madrigal, da hatte sie ihn geküsst. Sie hatte sein Gesicht in die Hände genommen und ihn sanft auf die Stirn geküsst, und es war lächerlich, wie oft er seither daran gedacht hatte. Aber in seinem Leben hatte es nicht viele glückliche Momente gegeben, und so hatte der Kuss als schönste Erinnerung wenig Konkurrenz. Bis jetzt.
Denn jetzt erinnerte er sich an das Gefühl von Karous warmer Schulter an seiner, als sie Seite an Seite geschlafen hatten, und daran, wie er neben ihr aufgewacht war. Wie es wohl wäre, jeden Morgen neben ihr aufzuwachen? Und sich jeden Abend neben sie zu legen? Und … die Stunden dazwischen mit ihr auszufüllen? All die Stunden der Nacht.
»Ein Glücksding«, hatte sie gesagt.
Angeblich hatte er doch Glück. Ziri, der Glückspilz … Aber war er das wirklich? Nur weil er noch seinen ursprünglichen Körper hatte? Keiner seiner Kameraden konnte das von sich behaupten, weshalb er auch nie protestierte, wenn sie ihn Glückspilz nannten. Aber er hatte sich nie wie einer gefühlt. Er war ohne sein Volk aufgewachsen, kannte nur Kriegszeiten, und selbst jetzt, wo der Krieg angeblich vorbei war, nahm das Töten kein Ende.
Er dachte an die Schreie der Sterbenden, an den Gestank verbrennender Leichen und schämte sich dafür, dass er an seinem eigenen Glück zweifelte. Er lebte – das war ganz und gar nicht selbstverständlich, und es würde nicht ewig so bleiben.
Alle anderen waren schon im Hof, als er dort ankam – alle bis auf Ten, die einen Moment später hinter Thiago auftauchte und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Er hörte aufmerksam zu, nickte, und dann richteten sich seine kalten blauen Augen direkt auf Ziri. Ziris Blut gefror zu Eis. Und dann sprach der Weiße Wolf.
»Wie ihr alle wisst, haben wir bei der letzten Mission ein Team verloren, aber ihr Sicherheitsmann hat seine Pflicht getan und ist mit all ihren Seelen zurückgekehrt. Ziri.« Thiago nickte ihm zu. Mehrere der Soldaten jubelten, und einer klopfte Ziri mit einer großen Pranke auf die Schulter. Aber Ziri selbst glaubte keine Sekunde, dass diese Rede auf etwas Gutes hinauslaufen würde. Er stellte sich darauf ein und wurde nicht überrascht.
»Aber jetzt brauchst du ein neues Team. Razor, kannst du ihn aufnehmen?« Thiago wandte sich dem Heth zu.
O nein , dachte Ziri und biss die Zähne zusammen. Bitte nicht ausgerechnet er.
»Wie Ihr wünscht, General«, erklang Razors zischende Stimme. »Aber ich kann nicht versprechen, dass ich ihn in meinem Team Versteck spielen lasse oder dass er seine hübsche Haut behalten wird.«
Manche Soldaten, die nicht verstanden, warum das Sammeln der Seelen so wichtig war, bezeichneten die Taktik, dass einer aus dem Team immer in Sicherheit bleiben musste, gern großmäulig als »Versteckspiel«. Die Andeutung, dass er sich nur verstecken wollte, machte Ziri wütend, aber dann dachte er unwillkürlich daran, was Razors Team zu tun hatte, und seine Entrüstung verlor ihre Überzeugungskraft. Er würde sich wirklich lieber verstecken. Und noch lieber würde er solche Massaker, wie sie auf ihrer letzten Mission stattgefunden hatten, verhindern.
Aber natürlich gab es diese Option nicht. Ziri war inzwischen über die Hälfte seines Lebens Soldat. Er hatte das Soldatenleben nie geliebt, aber er war gut darin, und bevor der Kriegsherr und Brimstone getötet worden waren, hatte er es auch nie gehasst. Doch jetzt tat er es.
»Östlich von Balezir gibt es einen Fluss namens Tane, an dem mehrere Städte liegen«, erklärte Thiago. Er lächelte auf die kranke Art, die deutlich seine Vorfreude darauf zeigte, welch schweren Schaden sie dem Feind zufügen würden. »Ich will, dass sich die Engel in Balezir morgen beim Aufwachen fragen, warum das Wasser des Tane plötzlich rot ist.«
Eine schönere Zahl
Als Ten an ihrer Tür erschien, stand Karou über eine Kette gebeugt an ihrem Tisch, aber ihre Gedanken waren weit weg, in Loramendi. Sie konnte es immer noch kaum
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