Days of Blood and Starlight
Dankbarkeit dem Universum gegenüber.
Um ihre Hand zu gewinnen, brauchte er eine Herausforderung. Noch zwei Herausforderungen, um genau zu sein.
Er fühlte eine eigentümliche Verpflichtung dieser ganzen Prüfungsidee gegenüber. Wer erlebte schon solche Dinge? Monster und Engel und Portale und Unsichtbarkeit – selbst wenn das letzte Erlebnis mit dem ganzen Autsch ein bisschen schwer genießbar war. Aber wie viele Menschen bekommen je die Chance, für ihre wunderschönen Freundinnen in uralten Lehmstädten in Nordafrika vielleicht-antike vielleicht-silberne Ringe zu kaufen, getrocknete Datteln aus einer Papiertüte zu essen, Kamel-Wimpern zu bewundern und … hey, wo laufen die Leute denn alle hin?
Plötzlich wälzte sich eilig ein Strom von Menschen durch die enge Gasse, es gab laute Rufe auf Arabisch oder Berberisch oder in sonst einer Sprache, die weder Tschechisch noch Englisch, noch Deutsch, noch Französisch war, und Mik schaute verdattert zu. Die Einheimischen riefen und rannten, dann wurden sie von den Türen verschluckt, und die Gassen waren wieder leer bis auf die Touristen: Touristen, die sich anblinzelten, während der aufgewirbelte Staub sich wieder senkte. Aber hinter den geschlossenen Türen steigerte sich der Lärm.
Mik steckte den Ring ein und kehrte zu Zuzana zurück, die immer noch im Schatten saß, aber nicht mehr zeichnete. Beunruhigt blickte sie zu ihm auf. »Was ist denn hier los?«
»Ich weiß es nicht.« Er blickte sich um. Ein paar Familien lebten noch innerhalb der Mauern der Kasbah; als eine Tür sich kurz öffnete, erhaschte er einen Blick auf einen hellen Fernsehbildschirm, dann schloss sich die Tür wieder. Was für ein Anachronismus: ein Fernseher an diesem Ort … und dann … dann verwandelte sich das Rufen in Gebrüll. Aus vollem Hals. Und es schien eine Mischung aus Freude und Schrecken zu sein.
Mik packte Zuzanas Hand – eins der drei Dinge, die das Leben für ihn lebenswert machten – und zog sie über die Straße dorthin, wo der Fernseher war, um zu sehen, was zur Hölle – oder im Himmel – vor sich ging.
Lebewohl
Als Akiva erwachte, schlief Liraz neben ihm, und es war dunkel, obwohl es natürlich dort, wo ein Seraph sich aufhielt, nie ganz dunkel wurde. Zwar brannten ihre Flügel im Schlaf der Erschöpfung nur schwach, aber sie strahlten ein Licht aus, das bis zu der hohen Balkendecke hinaufreichte und auch die schrägen Lehmwände erhellte. Ihr Gefängnis war ein großer Raum ohne Fenster; Akiva konnte nicht feststellen, ob es Tag war oder Nacht. Wie lange hatte er geschlafen?
Er fühlte sich … nun, gestärkt war unter den gegebenen Umständen ein schwieriges Wort, es klang so voller Leben, und das war er nicht, aber es ging ihm deutlich besser. Er setzte sich auf.
Das Erste, was er sah, war sein Bruder. Hazael lag auf Liraz’ anderer Seite; ihr Körper war ihm zugewandt, und für einen ungestümen Moment erwachte Hoffnung in Akiva, Hoffnung, dass sie wieder zu dritt waren, dass Karou seinen Bruder doch auferweckt hatte, dass Hazael sich aufrichten und anfangen würde, lustige Geschichten über all das zu erzählen, was er gesehen und getan hatte, während er eine körperlose Seele gewesen war. Aber die Hoffnung ging rasch den Weg der meisten Hoffnungen: Bitterkeit verschlang sie, und Akiva kam sich vor wie ein Narr. Natürlich war Hazael tot, immer noch, für immer. Es kamen bereits Fliegen, unmöglich, das noch länger mit anzusehen.
Er weckte Liraz. Es war Zeit, ihrem Bruder die letzte Ehre zu erweisen.
Die Zeremonie war nichts Großartiges, aber das war bei einem Soldatenbegräbnis ja nie der Fall: Die Leiche wurde einfach verbrannt, sie war sozusagen ihr eigener Scheiterhaufen. Die offiziellen Worte waren unpersönlich, also änderten sie den Text so, dass er zu Hazael passte.
»Er war immer hungrig«, sagte Liraz, »und manchmal ist er bei der Wache eingeschlafen. Tausendmal hat er sich mit seinem Lächeln vor einer Disziplinierung gerettet.«
»Er konnte jeden dazu bringen, mit ihm zu reden«, sagte Akiva. »Kein Geheimnis war sicher vor ihm.«
»Außer deinem«, murmelte Liraz, und Akiva spürte einen Stich, denn es stimmte.
»Er hätte ein richtiges Leben haben sollen«, sagte er. »Er hätte es ausgefüllt. Er hätte alles ausprobiert.« Er hätte geheiratet, dachte Akiva bei sich. Er hätte Kinder haben können. Akiva konnte ihn fast sehen – den Hazael, der sein Bruder hätte sein können, wäre die Welt eine bessere
Weitere Kostenlose Bücher