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Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Woon
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unter das Sprungbrett und tauchten die Füße ins Wasser. Ich erzählte ihm von dem Gehöft in Vermont, dem Zettel mit Cindy Bells Namen, und dass dort vielleicht der letzte Teil des Rätsels versteckt sein könnte.
    »Lass uns hin«, sagte er sofort. »Der Unterricht fängt eh erst am Montag an. Heute ist es schon zu spät, aber morgen könnten wir los. Was brauchen wir?«
    So saßen wir da, redeten und lachten und schmiedeten Pläne für unsere Expedition, und als er neben mir einschlief, verschmolzen unsere Schatten miteinander. Ich sah ihm zu, dem Auf und Ab seiner Brust, und wünschte mir, in seinem Arm einzuschlafen. Von einem einzigen seiner Worte an die Schönheit des Lebens erinnert zu werden. Von einer Berührung seines Fingers zu lernen, tiefer zu atmen, langsamer zu leben, ein besserer Mensch zu werden. Mich in ihn zu verlieben.
     
    Am Samstagmorgen wartete Noah schon am Schultor auf mich, in der Hand zwei Kaffee und eine braune Papiertüte. Der Tag war kalt, die Sonne teilweise hinter Wolken versteckt. Wir nahmen ein Taxi zu einer Anlegestelle in Süd-Quebec, wo wir die Fähre bestiegen.
    Gemächlich schipperte das Schiff über den Champlainsee und unter uns röhrten die Motoren, während wir in der schäbigen Snackbar am Fenster saßen. Noah zog zwei trockene Brioches aus der Papiertüte. »Schokolade oder Marzipan?«
    Ich wählte Schokolade und lächelte. »Danke.«
    Die Fähre war fast leer; außer uns hingen nur ein paar Leute in windgeblähten Parkas auf Deck herum. Noah beugte sich vor und zupfte mir ein Stück Brioche von den Lippen, wofür er eine Spur zu lange brauchte.
    Der Lautsprecher brummte und verbreitete die Durchsage des Kapitäns: »Wir verlassen jetzt die kanadischen Gewässer. Willkommen in den Vereinigten Staaten von Amerika.«
    »Jetzt sind wir zwischen den Welten«, murmelte Noah und schaute aus dem Fenster.
    Das Wasser war dunkelblau und reichte bis zum Horizont, der durch den gespiegelten Himmel keinen Anfang und kein Ende zu haben schien. Und wir waren irgendwo in der Mitte gefangen, genau wie ich im Nirgendwo zwischen Leben und Tod festsaß, zwischen meiner Welt und der von Dante.
    Es war später Nachmittag, als wir an einem trostlosen Kai an der Nordspitze von Vermont an Land gingen. Der Himmel trug schon rote Streifen und in der Ferne verschwand die Sonne hinter den Bergen.
    Drei Taxis warteten auf dem Parkplatz. Wir steuerten auf das nächste zu. Der Fahrer schlief, den Kopf auf die Faust gestützt. Auf dem Armaturenbrett lag eine Zeitung ausgebreitet. Zögernd klopfte ich an die Scheibe. Er schreckte hoch und kurbelte sie runter.
    »Wohin soll’s gehen?« Ausgezehrt sah er aus, mit grauem Stoppelbart und wild wuchernden Augenbrauen.
    Ich fischte den Zettel aus der Tasche und las ihm die Adresse aus meiner Vision vor. Grunzend wies er auf die Rückbank. Während wir einstiegen, warf er die Zeitung auf den Beifahrersitz, dann fuhr er los.
    Bei geöffnetem Fenster steckte er sich eine Zigarette an. Vom Rückspiegel baumelte ein Kirsch-Duftbäumchen. »Wie weit ist das?«, fragte ich und reckte mich zwischen die Vordersitze, als ein Schlagloch mich gegen Noah schleuderte. Seine Wärme traf mich unvorbereitet und ich fuhr zusammen. Wie anders als ich er sich doch anfühlte. Würde es sich auch so anfühlen, wenn ich Noah berührte, Noah küsste, mit Noah zusammen war   – ein Schock der Fremdartigkeit? Der Fahrer grummelte etwas, das sich wie
zwanzig Minuten
anhörte, und drehte das Radio lauter.
    Die Landschaft war von einer Eisschicht überzogen und auch die Bäume trugen einen zarten Eismantel. Wir fuhren vorbei an schwach erleuchteten Bauernhäusern und Schneefeldern hinter langen Holzzäunen. Als sich gerade die Dunkelheit auf den Baumspitzen niederlassen wollte, kamen wir an einem vertrauten Schild vorbei. WILLKOMMEN IN BREAKER CHASM
    »Gleich sind wir da«, sagte ich und betrachtete die Straßenlaternen, die geschlossenen Geschäfte und die Tankstelle, die sich völlig mit meiner Vision deckten. Mit einem Finger schrieb ich
fait accompli
auf die beschlagene Scheibe.
    »Vollendete Tatsache«
, übersetzte Noah. »Warum hast du das geschrieben?«
    Ich starrte auf die Worte. »Keine Ahnung«, murmelte ich und wischte es mit der Hand weg.
    Auf einer rutschigen Straße voller Schlaglöcher ging es weiter, bis wir an einem windschiefen Blechbriefkasten am Anfang einer langen Zufahrt vorbeirollten. Ich drehte mich und musterte ihn durch die Heckscheibe, verglich ihn mit dem

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