Dead - Ein Alex-Cross-Roman
begonnen, und sie ist ein absolutes Prachtexemplar - sehr fantasievoll, sehr komplex und schrecklich dramatisch.
Wieder einmal eine fantastische Rolle. Der Buchhalter, dessen Leben keinen Sinn und der nichts zu verlieren hatte. So viel aufgestauter Kummer und Hass. Die Rache war längst überfällig.
Auf dem Zementboden zu seinen Füßen lag regungslos ein achtzehnjähriger Highschool-Schüler. Der arme Kerl war tot, die Kehle durchgeschnitten, und bereits verblutet. Der Junge wollte einfach nicht kapieren, dass er kooperieren, dass er die
Anweisungen befolgen musste. Neben ihm saß ein junges Mädchen, ebenfalls im Teenageralter. Sie hatte sich mit dem Rücken an eine Mauer gelehnt, die sie vor den Blicken aus den unten vorbeifahrenden Autos schützte.
Das Mädchen war noch am Leben. Eine ihrer zarten Hände hatte sie in den Schoß gelegt, der andere Arm hing leblos über ihrem Kopf, wo er mit Handschellen am Brückengeländer festgemacht war. Auf ihrer Oberlippe waren ein paar Schweißperlen zu sehen, direkt oberhalb des Klebebandes, das sich über ihren Mund und einmal ganz um den Kopf herum spannte.
David Hayneswiggle blickte zu dem Mädchen hinunter. Ihre Augen waren weit aus den Höhlen hervorgetreten, und sie zitterte wie eine Süchtige auf Entzug. »Wie geht’s? Bist du noch da?«, erkundigte er sich.
Entweder ignorierte sie ihn oder aber sie hatte ihn gar nicht gehört. Es ist sowieso egal, was das Mädchen denkt oder was es macht , dachte David Hayneswiggle. Erneut beobachtete er den Autoverkehr auf dem George Washington Memorial Parkway, versuchte, Geschwindigkeit und Entfernung einzuschätzen, den richtigen Moment abzupassen. Die dritte Geschichte, die würde wirklich etwas Besonderes.
Jedes Mal, wenn so ein Volltrottel ihm zuhupte, machte er mit beiden Händen das Victory-Zeichen. »Ich bin kein Lügner«, sagte er und versuchte dabei, Nixons krächzende Stimme möglichst originalgetreu nachzuahmen. Er identifizierte sich wirklich sehr mit Nixon, auch so ein Versager, der jede Menge Kummer und Hass aufgestaut hatte.
Als er genug gesehen und sich die ganze Szenerie eingeprägt hatte, um später darauf zurückgreifen zu können, kniete er sich neben das Mädchen. Die strampelte mit den Beinen, rutschte vielleicht dreißig Zentimeter zurück... mehr schaffte sie nicht, wegen der Handschellen, die sie am Geländer festhielten.
»Spar dir deine Kräfte«, sagte er. »Dir kann doch gar nichts passieren, oder? Solange du ans Geländer gefesselt bist. Überleg doch mal. Alles in Ordnung.«
Er schob die Arme unter die Leiche des Jungen und kniete sich dann mühsam hin. Der Junge wog höchstens 70 Kilogramm, aber ihm kam es vor wie eine Tonne. Tote Masse , kein Witz jetzt.
David Hayneswiggle spannte seine Beinmuskulatur an und machte sich bereit, während er aus seiner geduckten Position die Autobahn im Auge behielt. Dann erblickte er sein Ziel. Ein weißer Toyota-Minivan, noch ungefähr vierhundert Meter entfernt. Auf dem Parkway waren keine Lastwagen erlaubt, also war so etwas wie ein Minivan in etwa das Größte, was er kriegen konnte.
Als der Wagen keine hundert Meter mehr entfernt war, packte er den Jungen fester.
Bei knapp fünfzig Metern stand er auf. In einer einzigen, kraftvollen Bewegung richtete er sich zu voller Größe auf. Dann warf er den Jungen über die Brüstung und sah ihm nach, wie er sich wie ein schwerer Sack überschlug. Er landete auf der Motorhaube und der Windschutzscheibe des Minivans. Glas splitterte, Reifen quietschten. Heilige Scheiße!
Der Minivan schleuderte und schlidderte unter der schmalen Brücke hindurch, kam auf der anderen Seite wieder zum Vorschein, und dann überschlug er sich. Stahl kollidierte ächzend mit Beton, und dann waren noch zwei Zusammenstöße zu hören, weil ein paar tagträumende Autofahrer nicht rechtzeitig auf die Bremse getreten waren.
Fast unmittelbar danach war der Verkehr zum Erliegen gekommen.
Die nördliche Fahrspur wäre bald schon der nördliche Parkstreifen, und die Autos, die nach Süden wollten, würden ebenfalls
anhalten, sobald die ersten Schaulustigen angefangen hatten zu gaffen.
Jetzt gehörte ihre Aufmerksamkeit ihm.
Endlich wurde David Hayneswiggle beachtet.
Verdammt noch mal, das wurde aber auch langsam Zeit.
43
David Hayneswiggle wandte sich nun an das Mädchen, und er musste mit lauter Stimme sprechen, um das Dröhnen der nach wie vor in Richtung Süden fahrenden Autos zu übertönen. Er musste tatsächlich brüllen,
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