Dead End: Thriller (German Edition)
erwiderte er. »Ich hab’s vor ein paar Jahren geerbt. Ich werde es an jemanden verkaufen, der’s sich leisten kann, es zu renovieren. Vorher muss ich aber selbst noch das eine oder andere daran tun, damit ich überhaupt einen Makler hier rumführen kann. Die Bude bricht bald zusammen.«
Jemand anderes kam herüber, um mit Nick zu sprechen, und ich ging durch ein eichengetäfeltes Esszimmer voller alter salzglasierter Keramikkrüge und Teller mit blauem chinesischen Muster. Der Kamin war gewaltig. Einen Augenblick später wurde mir klar, dass das auch nötig war. Durch die undichten Fenster wehte praktisch eine steife Brise ins Zimmer. Ich zählte zwei Eimer und eine Schüssel auf den steinernen Bodenplatten, um Regenwasser aufzufangen. Und das hier war das Erdgeschoss.
Ungefähr ein Dutzend Leute hielt sich in dem Zimmer auf, und für weitere war auch nicht mehr viel Platz. Ich ging weiter, in ein zweites Zimmer mit Steinfliesen, Sesseln, einem glänzenden schwarzen Flügel. Ein Kamin, der sogar noch größer war, und passend dazu der abgetrennte Kopf eines großen Säugetieres darüber an der Wand. Evi hockte auf einer gepolsterten Fensterbank am anderen Ende des Zimmers. Ein älterer Mann saß neben ihr und beugte sich um einiges dichter zu ihr herüber, als mir an ihrer Stelle angenehm gewesen wäre. Sie trug heute Abend Knallrot: einen langen roten Pullover, der ihr bis zur Mitte der Oberschenkel reichte, und schwarze Jeans, die in roten Stiefeln steckten. Ihr Haar wurde oben auf dem Kopf von einer roten Spange zusammengehalten, und an ihren Ohren funkelten winzige rote Ohrringe. Sie hatte einen langen Hals, stellte ich fest und hielt den Kopf hoch erhoben.
Dann sah sie mich und lächelte mir zu. Ich wollte gerade zu ihr hinübergehen, als mich jemand ansprach.
»Na, wieder trocken?«, erkundigte sich ein junger Mann, den ich wiederzuerkennen glaubte. Er sah aus, als wäre er kein Student mehr; seine Haut war ein wenig knitteriger, mit tieferen Falten um die Augen. Er war ungefähr eins fünfundsiebzig groß und dünn, mit verkniffenem Gesicht. Zweite Wahl wäre eine passende Beschreibung gewesen, wenn ich fies drauf gewesen wäre.
»Regnet’s denn draußen?«, gab ich zurück, obwohl ich ganz genau wusste, was er meinte. Er sah meinen Blick und hätte sich beinahe abgewandt. Ich war mal wieder Lacey.
»Dann warst du wohl Dienstagabend vor dem Wohnheim«, sagte ich, schnappte mir eine Schale, die in der Nähe stand, und bot sie ihm an. Er schaute hinunter, und ein verdutzter Ausdruck trat auf sein Gesicht. Nun ja, ich bot ihm auch gerade Potpourri an. Gekräuselte Holzspäne und getrocknete Blätter, um genau zu sein. Lacey hätte sich eins in den Mund gesteckt, nur um etwas zu beweisen. Laura stellte die Schale wieder auf den Flügel und machte ein verlegenes Gesicht.
»Ich bin Laura«, sagte ich.
»Will«, antwortete er. »Was studierst du?«
»Psychologie. Und du?«
»Ich mache gerade meinen Abschluss in Mathematik«, verkündete er.
»Wer waren eigentlich diese Typen?«, fragte ich ihn. »Die neulich vor dem Wohnheim, mit den Masken?« Von Scott Thornton wusste ich bereits. Konnte nicht schaden, auch die Namen der beiden anderen herauszufinden.
Er feixte, und sein Blick fiel auf meine Brust. »Wieso, willst du dich rächen?«
»Ich will nur wissen, wem ich vors Schienbein treten muss, wenn ich sie mal bei Tageslicht sehe«, gab ich zurück, ehe ich mich bremsen konnte. Dieser Kerl hatte irgendetwas an sich, das die Lacey in mir zum Vorschein brachte, und zwar so richtig.
»Um ehrlich zu sein, die drei habe ich noch nie gesehen«, meinte er. »In den ersten paar Wochen werden ’ne Menge Erstsemester geduscht, aber normalerweise nicht von Typen, die aussehen wie der Lone Ranger. Und, hat’s dir gefallen, an der Kette zu liegen?«
Mein Gott, dieser Typ war vielleicht ein Arschloch. Glücklicherweise tauchten gerade in diesem Moment die ersten Gäste mit vollen Tellern auf.
»Ich bin am Verhungern«, nuschelte ich. »Bis später.«
Evi war von ihrem Bewunderer sitzen gelassen worden. »Kann ich Ihnen etwas bringen?«, erbot ich mich. Sie setzte zu einem Kopfschütteln an und schien es sich dann anders zu überlegen.
»Das wäre toll«, sagte sie.
In der Küche stellte ich mich hinten in eine kleine Warteschlange. Das Curry, das ich riechen konnte, war mild gewürzter, geschmorter Fasan, dazu gab es gegrilltes Gemüse. Doch die Leute waren noch immer mit dem ersten Gang beschäftigt, einer
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