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DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

Titel: DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Curran
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den Verstand verlor.
    »Mein Gott«, flüsterte Saks. »Wir sollten ...«
    Die Schreie verwandelten sich abrupt in qualvolle kurze Kreischlaute, und dann tauchte der Mann, der sie ausstieß, aus dem Nebel auf. Einer der Deckarbeiter. Klatschnass mit einer Wathose aus Ölzeug, die ihm um die Hüften hing. Die Vorderseite seines Overalls hatte sich rot gefärbt und glänzte feucht, er kratzte wie besessen daran herum. Sein Gesicht glich einer schmerzverzerrten grauen Maske. Die Männer wichen vor ihm zurück.
    »Nehmt es weg, nehmt es weg, nehmt es weg!«, heulte er, während er über das Deck taumelte und eine Blutspur hinter sich herzog. »OH GOTT OH GOTT OH GOOOOTT ES IST IN MIR ES IST AAAAAHHHH ...«
    Bevor sich jemand bewegen konnte, rannte er zur Reling, wo die Männer ihn nur noch als schummrige und krampfhaft zuckende Gestalt im Nebel sehen konnten. Und dann warf er sich ins Meer.
    »Scheiße!«, rief Saks und brach damit den Bann. »Mann über Bord! Scheiße, verdammt, Mann über Bord! «
    Aber niemand rührte sich.
    Sie standen nur da und wussten nicht, was sie tun sollten. Keiner von ihnen wagte es, sich auch nur einen Zentimeter der Stelle zu nähern, wo er über Bord gegangen war. Ja, sie hatten ihn gesehen, wollten ihm helfen, aber die Schreie, das Blut, die ganze albtraumhafte Absurdität der Situation lähmte sie. Sie konnten nur gaffen. Denn es hatte fast so ausgesehen, als sei er über die Reling gezogen worden, statt aus eigenem Entschluss zu springen. Und das Platschen, das sie hörten ... ein lautes, hallendes Platschen ... es klang nicht, als stamme das Geräusch von einem Menschen. Es klang eher so, als hätte man ein Auto ins Meer fallen lassen.
    Einen Moment lang herrschte völlige Stille.
    Als wäre die Zeit stehen geblieben, die Welt fest und unverrückbar eingerastet. Man hörte das Wasser und etwas, das möglicherweise das ferne Säuseln von Wind sein konnte, dazu das leise Brummen der Motoren, mehr nicht.
    »Mann über Bord«, flüsterte einer der Matrosen. »Mann über Bord. Mann über Bord.«
    Aber es schien niemanden zu kümmern.
    Die Realität hatte in den letzten Minuten heftige Prügel bezogen und taumelte noch, versuchte noch, wieder auf die Beine zu kommen – und die Männer mit ihr.
    »Er ist weg«, stellte Saks fest. »Selbst wenn wir diesen Kahn umdrehen, werden wir ihn nicht finden. Nicht in dieser Suppe.«
    »Oh mein Gott«, flüsterte Menhaus. »Was war das denn?«
    Einer der Matrosen rannte los, und einige Sekunden später ertönte der Alarm. Er klang hoch und jaulend wie eine Luftschutzsirene. Ein Laut, der direkt das Rückgrat hinaufwanderte und sich im Kopf ausbreitete, bis man mit den Zähnen knirschen und die Augen fest zusammenkneifen wollte.
    Trotz des Lärms begannen jetzt alle auf einmal zu reden. Aber mit leiser Stimme, als wollten sie nicht, dass die anderen hörten, was sie sagten.
    Fabrini hatte seine eigene Methode, das Irreale, Entsetzliche zu verarbeiten. Er wurde wütend. »Das ist doch Scheiße!«, schimpfte er und stapfte vor den anderen auf und ab. »Das ist eine gottverdammte Scheiße. Wir sollten umkehren. Hört ihr mich? Lasst uns umkehren. Ich will nicht so sterben!«
    » Wie sterben?«, fragte Saks.
    »Ja«, meinte Menhaus. »Wir wissen nicht mal, was passiert ist.«
    Fabrini merkte, dass ihn alle anstarrten. Sein dunkler Teint war einer unnatürlichen Blässe gewichen. »Ihr habt den Typen doch gehört, verdammt! Ihr habt ihn alle gehört! Ihr habt gehört, was er geschrien hat: Nehmt es weg, nehmt es weg! Er hat geblutet, als hätte ihn jemand abgestochen! Irgendwas hat ihn erwischt, stimmt’s? Irgendwas muss ihn gebissen haben!«
    Saks verdrehte die Augen. »Um Gottes willen, Fabrini, der Typ ist durchgedreht. Hat sich wahrscheinlich selbst die Pulsadern aufgeschnitten oder so was.«
    Niemand widersprach dieser Hypothese. Sie kam ihnen sauber, klar und sicher vor. Sie ergab Sinn. Man konnte sie in eine Dose stecken, den Deckel zumachen und sicher sein, dass sie nicht wieder herauskam. Und sie wirkte viel, viel besser als die Alternative, und über die wollte niemand auch nur ansatzweise nachdenken. Jedenfalls nicht offen. Noch nicht.
    Saks beobachtete nachdenklich die Männer. Das gefiel ihm alles überhaupt nicht. Er hatte Situationen wie diese im Krieg erlebt. Situationen, in denen es aus allen Richtungen Scheiße zu regnen schien und die Anspannung so stark wurde, dass man spüren konnte, wie sie sich von einem Mann zum anderen ausbreitete.

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