DEAD SHOT
als habe das Opfer in seiner Panik noch kurz vor dem Erstickungstod versucht, die Eisenstäbe mit bloßen Händen auseinanderzubrechen. Die entflammbare Flüssigkeit hatte man offenbar auch in den Zellen verteilt und dann Feuer gelegt. Die armen Teufel waren bei lebendigem Leib verbrannt.
Jede Zelle bot den gleichen schaurigen Anblick. Ein Toter hinter jeder Gittertür. Swanson scannte die Knochen und wich zurück, als ein Zeiger an einem Messapparat leicht ausschlug.
»Okay, Jungs. Rawls, du beziehst Stellung oben an der Treppe am Eingang, während wir das Ganze hier mit unseren Kameras erfassen und für unsere Spezialisten dokumentieren.« Er wollte die kontaminierte Leiche mitnehmen, aber das Risiko war zu groß, dass sich eine mögliche Infektion ausbreitete. Kyle blieb daher nichts anderes übrig, als ein paar Proben von den verkohlten Leichenresten zu nehmen, die er in Plastikbeuteln verschloss und mit Klebeband zumachte.
Die drei Marines nahmen ihre Hauben und Atemmasken ab, setzten die Atemmasken dann jedoch wieder auf, da man tief unten in dem Bunkerkomplex nur schwer Luft bekam. Sie hatten das Gefühl, in einem riesigen Kamin zu stehen und in den rußigen Rauchfang zu blicken. Sie arbeiteten zügig, und jeder verspürte nur den Wunsch, die Anlage so schnell wie möglich zu verlassen, nach Doha zu fliegen und unter die Dusche zu springen. »Palast des Todes ist der richtige Name«, meinte Joe Tipp. »Man sieht zwar nicht mehr viel, aber hier unten ist die Bezeichnung schon passend.«
Plötzlich gellte Captain Newmans Stimme über die Ohrstöpsel des Kommunikationssystems. »Raus da! Fahrzeuge nähern sich schnell!«
Die Marines befanden sich im untersten Kellergeschoss und dokumentierten gerade die winzigen Zellen und die sterblichen Überreste der Insassen, als der Ruf über Funk kam. In den schweren Schutzanzügen war es kaum möglich, die drei Stockwerke auf den rutschigen Stufen hinaufzuhasten. Sie würden die Anlage nicht mehr rechtzeitig verlassen können, und als sie endlich das ehemalige Büro hinter sich ließen und die letzte Treppe zum ebenerdigen Bereich nahmen, sahen sie, wie Rawls ihnen vom Eingang her bedeutete, in Deckung zu gehen. Zwei Fahrzeuge rasten durch das offene Tor und kamen mit quietschenden Bremsen zum Stehen. Die Scheinwerfer erfassten die Gebäudefront.
Bei dem einen Fahrzeug handelte es sich um einen alten Range Rover. Ein junger Mann saß am Steuer, eine Frau auf dem Beifahrersitz. Der zweite Wagen war ein Militärfahrzeug mit einer Einheit bewaffneter Soldaten in Uniformen der Iranischen Revolutionsgarde. Schnell war klar, dass nicht die US Marines gejagt wurden, sondern die beiden Personen im Range Rover.
»Nicht schießen«, gab Captain Newman über Funk durch. Die Marines am Beobachtungsposten und im Gebäude verfolgten das Geschehen und hatten den Finger am Abzug. Für die Hausdurchsuchung hatte Swanson sein Scharfschützengewehr nicht mitgenommen, daher richtete er nun das kurze M4 Sturmgewehr auf die Soldaten und stellte die Zieloptik ein.
Die iranischen Soldaten hatten inzwischen das vordere Fahrzeug umstellt und schrien die Insassen an, auszusteigen. Sowie die Fahrertür aufging und der junge Mann herauskam, wurde er sofort zu Boden geschlagen und im Licht der Scheinwerferlampen einige Meter fortgezerrt. Die Frau stieg langsam aus dem Wagen, doch auch sie schlug man nieder und zog sie neben den bäuchlings am Boden liegenden Mann. Mühsam kam sie auf die Knie und flehte: »Ich suche doch nur meinen Bruder!«
Ein Soldat mit Barett, möglicherweise ein Offizier, schrie sie an: »Sie sind eine Verräterin und Spionin! Man hat euch gesagt, dass ihr euch von diesem Ort fernhalten sollt. Ihr ungläubiger Bruder ist weggelaufen.«
»Nein«, entgegnete die Frau. »Das würde er nicht tun. Er ist nur ein Student und steht loyal zu unserem Land.«
»Noch ein Verräter.« Der Soldat zog seine Pistole und trat dem Fahrer in die Rippen. Der Mann stöhnte auf. »Und ich weiß auch nur zu gut, wer Sie sind. Der Vorsitzende des Studentenrats an der Universität. Ein Mann, der lautstark über unsere Regierung herzieht. Sie sind nicht einfach so mitgekommen, um der Frau da bei der Suche nach ihrem Bruder zu helfen.«
Als der Fahrer darauf nichts erwiderte, gab der Soldat einigen seiner Männer ein Zeichen. Daraufhin schlugen sie den jungen Mann, der in gekrümmter Haltung Schutz am Boden suchte, brutal zusammen. Die Frau schrie und wurde grob festgehalten, als sie versuchte,
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